Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
matische Sanktion hat nämlich einerseits »die staatsrechtliche und innenpolitische Selbständigkeit Ungarns und der angegliederten Landesteile gesichert«, andererseits aber, indem sie das »unteilbare und unzertrennliche Zusammenbleiben« der unter der Regierung des Herrscherhauses stehenden Länder und Provinzen erklärte, die »Großmachtstellung ihrer Gesamtheit« gesichert. Diese Berufung der Thronrede auf die Pragmatische Sanktion würde eine eingehendere Analyse verdienen. Nicht wenige, heute noch unklare Züge der späteren Entwicklung würden durch die Beantwortung folgender Frage beleuchtet werden : Was mag der Grund dafür gewesen sein, daß beide Parteien im Verlaufe der Ausgleichsverhandlungen wiederholt und bewußt auf dieses, anderthalb Jahrhunderte zurückliegende Grundgesetz zurückgriffen ? Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann ich lediglich ein in engerer Beziehung zu unserem Thema stehendes Element dieses eigenartigen Zusammenhanges berühren. Auch dem barocken Text des Gesetzes vom Jahre 1723 6 ist klar zu entnehmen, daß die enge Verbindung Ungarns mit den österreichischen Provinzen des Deutschen Reiches, ihre »Union« — wie das Gesetz besagt —, damals nicht, wie nach anderthalb Jahrhunderten beim Ausgleich, ein Postulat der Großmachtstellung der Habsburgermonarchie, sondern der Wunsch der ungarischen Stände war. Das, was im Jahre 1867 nur mehr eine Erinnerung, dabei keine überaus bedrückende Erinnerung war: die Türkenherrschaft, war zur Zeit, als die Pragmatische Sanktion inartikuliert wurde, noch beunruhigende Wirklichkeit. Die aus dem Süden drohende Gefahr, gegen die Ungarn seit der Zeit der Hunyadis in einem engen Bündnis mit dem Westen Schutz suchte, bewog auch im Jahre 1723 die mit dem König verhandelnden Magnaten, die organische Verbindung ihres Landes mit den unter der Herrschaft der Habsburger stehenden westlichen Ländern zu sichern. Daß diese Verbindung, diese »Union« für das damalige Ungarn einen Vorteil darstellte, wird hauptsächlich dadurch bezeugt, daß die ungarischen Stände die »Union« als Gegenleistung für die Erbfolge der weiblichen Linie wünschten. Etwas übertrieben könnte der Gegensatz zwischen 1723 und 1867 folgendermaßen ausgedrückt werden: im Jahre 1867 war die Vorbedingung der Großmachtstellung der Habsburgermonarchie die organische Einfügung des pazifizierten Ungarns in das Reich, während im Jahre 1723 die Sicherheit, das Bestehen Ungarns gleichsam in erster Linie von einer engeren Verbindung mit den österreichischen Erblanden abhängig gewesen wäre. 7 Aus dem unteilbaren Besitz folgte, daß es Angelegenheiten gibt, die allen unter der Regierung der Habsburger stehenden Ländern gemeinsam sind. Erste Aufgabe des Parlaments ist, die Art der Verhandlung und der Behandlung dieser gemeinsamen Angelegenheiten zu bestimmen. »Das Bestehen dieser gemeinsamen Angelegenheiten findet wohl bereits in der Pragmatischen Sanktion ihre Grundlage, jedoch erfordert die Art ihrer Behandlung infolge der wesentlich veränderten Umstände eine wesentliche Änderung.« Das ist ein eigenartig formulierter Teil der Thronrede. Positiv besagt er lediglich, daß die Gemeinsamkeit gewisser Angelegenheiten auch von der Pragmatischen Sanktion anerkannt wurde; darüber jedoch, wie dieses wichtige Grundgesetz für die Verwaltung dieser gemeinsamen Angelegenheiten sorgte, wurde in der Thronrede nur in negativem Sinne gespro-