Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

chen, daß nämlich infolge wesentlicher Änderung der Umstände auch in der Geschäftsführung wesentliche Änderungen eintreten müßten. Das Wesen der Änderung und der Grund für die sich als notwendig erweisenden Abänderungen wurden aber vom Monarchen in seiner staatsrechtlich bedeutenden Erklärung schon konkreter, fast modern konzipiert. Durch die inzwischen eingetretene »politische, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Umgestaltung«, heißt es in der Thronre­de, »ist es unerläßlich, daß der Herrscher auch seinen übrigen Ländern und Pro­vinzen verfassungsmäßige Rechte gewähre ... ebendeshalb kann ihr verfas­sungsmäßiger Einfluß bei der Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten nun nicht mehr übergangen werden«. In der Thronrede ist dann von jenen unmittelbaren geschichtlichen Antezeden­zien die Rede, die dazu dienten, die Verwaltung des Reiches dieser staatsrechtlich­politischen Erkenntnis anzupassen. Nach den Worten des Herrschers war diese Erkenntnis die Grundlage für das Diplom vom 20. Oktober 1860 und das Patent vom 26. Februar 1861. Das Oktoberdiplom wollte die gemeinsame, verfassungs­mäßige Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten mit dem unabweisbaren Erfordernis der Einheit und der Großmachtstellung des Reiches in Einklang bringen. Das Februarpatent erweckte Besorgnis, weil es, von der ideellen Grund­lage der Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten ausgehend, nur auf die Großmachtstellung des Reiches bedacht war und den Anschein erweckte, statt die Angelegenheiten der Verfassung entsprechend zu handhaben, materiellen und moralischen Zwang anzuwenden. Deshalb hob der Herrscher mit seiner Erklärung vom 20. September 1861 die Wirksamkeit des Patents vorübergehend auf. Aufgabe des nunmehr zusammentretenden Parlaments war, die auf den alther­gebrachten Institutionen des Landes fußende innere Struktur mit »den Voraus­setzungen für die Existenz des Reiches« d. h. — wie dies in der Einleitung der Thronrede bei Interpretation der Pragmatischen Sanktion klar gesagt wurde — mit der Großmachtstellung der Habsburgmonarchie in Einklang zu bringen. 8 In der Thronrede waren in nuce alle jene Probleme enthalten, die das Parlament lösen sollte und die sich bei den Verhandlungen im Parlament und in den Kom­missionen ergaben. Anderthalb Jahre zogen sich die Parlamentsdebatten hin, die die konkreten sozialen und politischen Verhältnisse und deren tiefgehende Wider­sprüche getreu widerspiegelten. Im Laufe dieser Debatten hat sich die politische und Verwaltungsstruktur für das letzte halbe Jahrhundert der Österreichisch­Ungarischen Monarchie herausgebildet. Der Apparat wurde mit der Zeit sehr kompliziert, wie ja auch die Verhältnisse, unter denen er entstanden war, sehr kompliziert waren. Im Verlaufe der Debatten wurde nur selten der Gedanke aufgeworfen, daß die Generation, die den Ausgleich schloß und die Grundlagen für die neue Ordnung legte, den Ansprüchen jener Generationen, die später in dieser Ordnung leben würden, eigentlich nicht Rechnung tragen konnte. Dieser Gedanke wurde zu Beginn der Debatte über eine der entscheidendsten Fragen am klarsten von Ferenc Deák formuliert. »Er halte es für möglich, ja für wahr­scheinlich, daß die Generation, die nach der jetzt lebenden Politik und Gesetz­gebung entscheidend beeinflußt, in dieser Beziehung von anderen Gesichtspunkten ausgehen werde, er könne aber unter den obwaltenden Umständen nur eine

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