Mitteilungen des K. K. Archivrates 3.
Otto H. Stowasser: Das Archiv der Herzoge von Österreich. Eine Studie zur Überlieferungsgeschichte der habsburgischen Urkunden
20 Otto H. Stowasser. Wie sehr man bereits damals von dem Werte und der Zugehörigkeit des Archivs zum Inhalt des Fürstentums überzeugt war, beweist der Hausvertrag, den Herzog Budolf IV. am 18. November 1364 mit seinen Brüdern schloß. Wie die Länder des habsburgischen Hauses für unteilbar erklärt werden und nur dem ältesten Bruder ein Vorrecht an der Begierung zugestanden wird, so wird das Archiv der Landesfürsten für unteilbar erklärt und der Obhut des Ältesten unter den Herzogen anvertraut. Ausdrücklich heißt es: Der eltist unter uns sol zu unser aller handen gemainlich alle zeit innhaben, innemen und behalten unser aller gemaine hantvesten, briefe und klainöd, die wir gemainlich nu haben oder hienach gewinnen.1) Zu den Vorrechten des Seniorats im Hause Habsburg, wenn man den Ausdruck gestatten will, sollte also auch der Besitz des Gesamtarchivs gehören.2) Fünfzehn Jahre später ging die Entwicklung über diese Hausordnung und ihren Grundsatz der Unteilbarkeit des habsburgischen Länderbesitzes hinweg. Vom 25. September 1379 datiert der Neuberger Vertrag der überlebenden Brüder Herzog Budolfs IV., der Herzoge Albrecht und Leopold, der für mehr als ein Jahrhundert die Einheit der österreichischen Länder auseinanderriß. Und wie damit eine Zeit der Wirren im allgemeinen heraufbeschworen war, begann damals auch die Leidensgeschichte des Archivs der Herzoge von Österreich, dessen Einheit naturgemäß mit der Einheit der Ländermasse ein Ende fand, weil es eben seither zwei Stellen gab, von denen aus regiert wurde und damit auch zwei Sammelpunkte archivalischen Stoffes gegeben waren. Nicht nur das; beide Kanzleien benötigten bald für ihre Verwaltungszwecke des Büst- zeugs der Archive. Das Schlimmste aber war, daß es mit dieser Teilung noch kein Bewenden hatte, daß sich bald später die leopoldinische Linie in eine steirische und tirolische spaltete und damit nun eine Dreiteilung der früher einheitlichen Kanzlei und ihres Archivs eintrat. Über die Vorgänge von 1379 sind wir hier im genaueren nicht unterrichtet. Aber die späteren Verhandlungen über die wechselseitigen Vormundschaften im regierenden Hause gewähren uns einen Einblick, wie alle diese Vorgänge auch eine völlige Zersplitterung der Archive mit sich zu bringen drohten. Ob bereits 1379 eine erste, d. h. planmäßige Aufteilung der archivalischen Schätze stattfand, worauf die Tatsache hindeuten würde, daß wir in späterer Zeit Archivalien, die vor 1379 entstanden, im Besitze der leopoldinischen Linie finden3), bleibt D Sehwind-Dopseh, Ausgewählte Urkunden, Nr. 117, S. 234, Z. 20 ff. 2) Vgl. Zeißberg, Der österreichische Erbfolgestreit nach dem Tode des Königs Ladislaus. Postumus. A. f. ö. G. 58, 9. 3) Vgl. das Verzeichnis der 1437 durch Friedrich IV. an Friedrich V, ausgelieferten Register, das vier Register Albrechts II. und drei Rudolfs IV. ausweist. Mitteilungen des Instituts, Ergb. X, S. 1 f.