Mitteilungen des K. K. Archivrates 3.

Otto H. Stowasser: Das Archiv der Herzoge von Österreich. Eine Studie zur Überlieferungsgeschichte der habsburgischen Urkunden

Das Archiv der Herzoge von Österreich. 17 Entstanden ist es aus der Tätigkeit der herzoglichen Kanzlei, über welche die Habsburger von allem Anfang an verfügten1), und der im Laufe der Entwicklung davon abzweigenden anderen Stellen, wie eben jedes Behördenarchiv aus dem Geschäftsgang heraus sich entwickelt. Die erste Nachricht meldet uns freilich nur von einer Deponierung von Hausurkunden im Kloster Lilienfeld, das 1299 die alten Privilegien der Babenberger vereint mit den neuen des habsburgischen Hauses be­herbergt hat, gleichwie einst die Babenberger seit 1137 ihr Archiv in Klosterneuburg hinterlegt hatten, wo es um 1180 zuerst geordnet wurde, wie schon Oskar Mitis nachgewiesen hat. Später, unter Friedrich II., kam es auf die Feste Starkenberg, um dann in den Besitz der neuen Machthaber, Ottokars und nach ihm der Habsburger, zu gelangen. Der Ruhm, das besondere Vertrauen des Fürstenhauses genossen zu haben und seine vornehmsten Privilegien bewahren zu dürfen, auf denen seine Rechtstitel begründet waren, ist also mit dem Wechsel der Dynastie von Klosterneuburg auf das einsamere Lilienfeld übergegangen. Man kann sich, wenn man bei Hanthaler diese Nachricht liest2), von vornherein nicht ganz des Verdachtes erwehren, daß es sich vielleicht um eine seiner zahlreichen Fälschungen handle, zumal die Urkunde, nicht wie das sonst im Mittelalter die Gewohnheit war, die als hinterlegt bezeichneten Stücke in ihrem Wortlaute oder wenigstens deren Anfang und Ende wiedergibt, sondern, man möchte sagen, ein moderner gefaßtes Verzeich­nis derselben bietet, die einzelne Urkunde nach dem Aussteller mit ganz kurzer Inhaltsangabe und eventuell unter Erwähnung der Siegelform namhaft macht. Besonders auffallend ist ferner die Tatsache, daß diese Urkunde Hermanns von Landenberg wohl das Privileg Friedrichs II. von 1245, nicht aber das Minus von 1156 anführt. Abertrotz allem ist diese Urkunde echt. Es hat sie derselbe Schreiber geschrieben, der das älteste Kanzleibuch, das gleich später noch zu erwähnende Pfandverzeichnis von 1313/14, angelegt hat, und an der Wahrheit des Berichtes kann kein Zweifel sein. Lilienfeld war an die Stelle Klosterneuburgs getreten. Frei­lich, ein Archiv, d. h. eine aus der Regierungstätigkeit der Herzoge or­ganisch erwachsene Sammlung, war es nicht, sondern einzelne, in den Augen der Zeit für das Haus besonders wertvolle Urkunden wurden dem Stifte zur Bewahrung übergeben.3) Diese Urkunden haben nicht lange 1) Vgl. Ivo Luntz, Urkunden und Kanzlei der Grafen von Habsburg und Herzoge von Österreieh. Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch., Bd. 37, S. 411 ff. 2) Eeeensus diplomatico-genealogicus arehivii Campililiensis I, 209, u. II, 57; Liehnowsky-Birk II, Nr. 187, 259 und Druck ebenda S. CCXCVI. Mein Kollege Dr. F. Antonius war so freundlich, mir eine Abbildung der Urkunde zu besorgen. 3) Dasselbe war auch später noch der Fall. Vgl. die Urkunde der Herzogin Elisa­beth, Witwe Herzog Heinrichs, vom 26. März 1327, mit der sie dem Abte Ottokar die Rück­gabe ihres in Lilienfeld hinterlegten Morgengabbriefes bestätigt. Or. Wien, Staatsarchiv. Mitteilungen des D.-ö. Archivrates. III. 9

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