Mitteilungen des K. K. Archivrates 3.

Otto H. Stowasser: Das Archiv der Herzoge von Österreich. Eine Studie zur Überlieferungsgeschichte der habsburgischen Urkunden

16 Otto H. Stowasser. in diesem auch die großen Privilegien des Hauses und die Familien- urkunden lagen, ändert nichts an dieser Auffassung, die auch jene der in Frage stehenden Zeiten war. ’) Die Archivalien des Hauses bilden einen Teil des Staatsarchivs, so wie die Dynastie ein Teil des Staates ist; aber man war sich bewußt, daß es ein Schatz des Fürstentumes, des Staates war.1 2) Als später die Habsburger zu Trägern der deutschen Krone geworden waren, schon unter Friedrich V. (III.), gewöhnte man sich, dies österreichische Staatsarchiv als »kaiserliches Schatzgewölbe in der Burg zu Wien« oder nach dem näher bezeichneten damaligen Lager­orte »im Sagrär zu Wien« zu benennen. Wir nehmen diesen alten Namen auf und fragen nun, welchen Inhalt das kaiserliche Schatzgewölbe im Wechsel der Zeiten barg, wie es eingerichtet und welche seine Schick­sale waren. Es handelt sich bei dieser Frage im wesentlichen um das Archiv der Herzoge von Österreich, also um ein Urkundenarchiv. Denn in der Mitte des 16. Jahrhunderts, in der Zeit also, welche den Übergang von der Urkunde zu den Akten brachte, riß man bei der Durchführung der Länderteilung nach dem Tode Ferdinands I. das alte abgeschlossene Archiv auch in drei Teile auseinander und wies diese nur mehr als Hilfsmittel zu Verwaltungszwecken hier und dort den neuerstandenen Behörden zu, aus deren Amtstätigkeit nun neue Aktenarchive erstanden. Das alte Staatsarchiv der Herzoge von Österreich erfuhr — ich nehme das gleich vorweg — nachher im Wesen keinen Zuwachs mehr, es verlor naturgemäß auch immer mehr an praktischer Bedeutung und blieb in seiner Abgeschlossenheit durch Jahrhunderte nun ein freilich zerrissenes mittelalterliches Urkundenarchiv. 1) Das geht aus mehrfachen Verträgen, die das Archiv berühren, klar hervor. So heißt es z. B. in der im Staatsarchiv erliegenden Urkunde vom 21. August 1458: was auch brief, urkund, privilegia, freihait, das fiirstentumb Österreich berürend, in dem sagrär zu Wienn ligend, die sülien daselbs zu Wienn unverrukcht beleiben zu gemainem gebrauch der fürsten und des fürstentumbs Österreich. 2) Ein eigenes Hausarchiv bestand daneben nicht, sondern es lagen die Privat- saehen unterschiedslos bei denen des Staates und denen der Dynastie als Staatsorgan. Was dann später im Haus-, Hof- und Staatsarchiv als Hausarchiv bezeichnet wurde, reicht zwar in jene Zeiten zurück, ist aber eine willkürliche und überdies recht kritik­lose Schöpfung vornehmlich des 19. Jahrhunderts. Die Habsburger haben niemals ein Hausarchiv in diesem Sinne gekannt, erst mit der Thronbesteigung der Lothringer gab es ein Hausarchiv der regierenden Familie, das aus Florenz dann nach Wien kam. Dieses lothringische Hausarehiv ist aber von dem heutigen sogenannten Hausarchiv streng zu unterscheiden, es bildet nur einen abgeschlossenen Bestand der ganzen leider so bezeichneten Sammlung, die mehr minder nur zufällig zustande gebracht wurde, indem man geeignet scheinende Stücke aus allen übrigen Beständen aussuehte. So kamen natürlich auch zahlreiche Stücke des alten herzoglichen Staatsarchivs in dieses Hausarchiv.

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