Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)

Dr. Bertold Bretholz: Zur Geschichte des mährischen Archivwesens

32 Dr. Bertold Bretholz. als Depots zu übernehmen, daß aber ein Zwang zur Ablieferung nicht bestehe; zum mindesten sollten aber genaue Verzeichnisse angelegt und ein Duplikat auf dem Wege durch die k. k. Statthaltern dem Landes­archiv übermittelt werden. Mit dieser amtlichen Aktion verband sich die mehr private Tätigkeit der seit 1857 wirkenden Landesarchiv-Korrespon­denten, und beide trugen ja bescheidene Früchte. Allein auf eine Be­wältigung der schweren Arbeit mit den geringen Kräften war kaum zu hoffen, selbst wenn nicht mit dem Tode Lazanskys (1860), Ohytils (1861) und Ohlumeckys (1863) an sich alles Interesse an der rein praktischen Archivarbeit erloschen wäre. Man überließ fortan die Ge­meindearchive, deren reiche und interessante Bestände bereits langsam, wenn auch in unvollkommener Weise ans Licht gezogen wurden, ihrem Schicksal. Die nun folgenden vier bis fünf Jahrzehnte sind an diesen Archiven sehr verschiedenartig verlaufen. Einige verfielen in einen wahren Dornröschenschlaf, und eine dichte Schichte konservierenden Staubes legte sich über sie; dazu gehörten z. B. die Stadtarchive von Brünn und Olmütz; einige wurden in ihrer Gänze in die Stampfe gebracht, nennen wir etwa Neutitschein1); mindestens drei, Braunseifen (1874), Wisowitz (1887), Schildberg (1889) sind bei Stadtbränden zugrunde gegangen1 2); sehr viele, darunter leider auch ein großer Teil des wichtigen Znaimer Stadtarchivs wurde in unverantwortlicher Weise geplündert, zerrissen, verschleppt. Ohne Verluste oder Schaden haben wohl nur die wenigsten diese Zeit überdauert. Man darf aber nicht ohne Grund annehmen, daß diese Periode der völligen Vernachlässigung der Stadt- und Gemeindearchive bereits überstanden ist. Seit den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts bessern sich diese Verhältnisse zusehends. Die Landeshauptstadt Brünn hat den Anfang gemacht, indem sie 1895 das gesamte Archivmaterial aus dem finsteren Kathausturm, in dem es bis dahin verwahrt war, in vollkommen entsprechende, neue Bäume bringen ließ, es unter fachmännische Auf­sicht stellte, so daß es ganz neu geordnet und katalogisiert werden konnte3). Olmütz, über dessen Urkundensammlung schon 1901 ein ge­druckter Katalog erschien4), folgte sehr bald mit der Neuordnung seines 1) Vgl. auch J. Loserth, Das Archiv der Stadt Fülnek. Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Jahrg. XVIII (1879), S. 84. 2) In Kremsier hat schon ein Stadtbrand im Jahre 1643, in Sehönberg ein Rathausbrand im Jahre 1669 den älteren Teil des Archivs zerstört. 3) Vgl. B. Bretholz, Geschichte der Stadt Brünn. Bd. I (1911), Seite V und 382 ff. 4) Das Stadtarchiv zu Olmütz. Ein Verzeichnis der Urkunden, Stadtbüeher und sonstigen Archivalien. Von F. X. Parseh. — I. Teil: Regesten zur Urkundensammlung. Olmütz 1901. — Gedruckte Verzeichnisse ihrer Urkunden haben außerdem nur noch die Städte Saar und Ungarisch-Brod (beide in tschechischer Sprache). Über das Fulneker Stadtarchiv vgl. die oben Anm. 1 genannte Abhandlung von J. Loserth.

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