Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)

Dr. Bertold Bretholz: Zur Geschichte des mährischen Archivwesens

24 Dr. Bertold Bretholz. überhaupt und speziell in Mähren ganz neuen Anstalt zu tun habe, so daß es an jeglicher Erfahrung mangelte«. Man vereinfachte die Auf­gaben, beziehungsweise die den Korrespondenten behufs Ausfüllung über­sandten Formulare und versuchte es ein zweites Jahr. Der Bericht für das Jahr 1860 konstatierte mit Befriedigung, daß »in dem Erfolge der Tätigkeit des zweiten Jahres gegen das erste Jahr eine erhöhte Wirk­samkeit, eine größere Tätigkeit der Korrespondenten nicht zu verkennen ist« und »dies wohl die vollste Befriedigung gewähren und niemanden zweifeln lassen kann, daß in dieser Anstalt ein Lebensmoment ist, welches sich seine Organe nach und nach selbst am kräftigsten und zweck­mäßigsten bauen wird«. Allein schon der Bericht über das Jahr 1861 (erstattet am 17. Mai 1862) kann nicht verhehlen, »daß der Erfolg der Tätigkeit der Archivskorrespondenten des Jahres 1861 mit dem Erfolg der beiden vorhergegangenen Jahre keinen Vergleich auszuhalten im­stande ist — die Tätigkeit war in diesem Jahre eine weit geringere«. Den Grund glaubte Chlumecky »in den politischen Verhältnissen unseres Vaterlandes« suchen zu sollen. Ein weiterer Bericht wurde nicht mehr erstattet, obwohl einzelne Korrespondenten noch 1864 und 1865 ihre Arbeiten fortsetzten. Das mit so hohen Erwartungen ins Leben ge­rufene Institut war an innerer Entkräftung zugrunde gegangen. Das un­gleichmäßige planlose Arbeiten sehr verschieden geeigneter Kräfte konnte das Landesarchiv nicht befriedigen, umgekehrt sahen die fleißigen und regsamen Mitglieder keinen offenkundigen Erfolg, ihre Berichte wurden nicht beantwortet, nicht publiziert, nicht verwertet. Die Zahl der Kor­respondenten war viel zu groß, nach zwei- bis dreijähriger Tätigkeit hatte fast jeder seine Aufgabe, soweit er sie überhaupt erfüllen konnte, erschöpft, denn mehr als ein oberflächliches Verzeichnen des ihm zufällig bekannt­werdenden Materials an Urkunden, Handschriften, alten Büchern, Münzen und sonstigen Altertümern verlangte man von ihm nicht. Meines Er­achtens war der tiefere, nie recht eingestandene Grund des Mißerfolges, daß man, wie schon früher bei den Forschungsarbeiten Boczeks, ge­hofft hatte, reine Goldklumpen zu finden und einigermaßen enttäuscht war, nur Quarze zu erhalten, die erst mühsam zu bearbeiten gewesen wären, bevor der wertvollere Inhalt zutage kam. Übrigens war das ma­terielle Ergebnis dieser Korrespondentenarbeit für das mährische Landes­archiv nicht ohne Belang; außer zahlreichen Urkundenabschriften, Re­gesten, Handschriftenbeschreibungen usw. erhielt das Landesarchiv ge­schenkweise im Jahre 1859: 120 Urkunden, 8 Kodizes, 15 Pakete Akten, 44 Stück Altertümer (meist Münzen); im Jahre 1860: 199 Urkunden, 14 Kodizes, 30 Druckwerke, 156 Stück Altertümer (meist Münzen); im Jahre 1861: 45 Urkunden, 4 Kodizes, 30 Stück Altertümer (meist Münzen).

Next

/
Thumbnails
Contents