Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)

Dr. Bertold Bretholz: Zur Geschichte des mährischen Archivwesens

Zur (ieschiehte des mährischen Archivwesens. 25 Sehr geringen Erfolg hatten diese Arbeiten vom Gesichtspunkte der Archivordnung; die Archive wurden nach Schätzen durchsucht, die ältesten und auffälligsten Stücke hier und dort besser verwahrt, aber auch nicht an einem einzigen Falle läßt sich nachweisen, daß eines der Pfarr-, Gemeinde- oder Privatarchive bei dieser Gelegenheit neu geordnet und vollständig inventarisiert worden wäre. Darin darf man wohl einen Hauptfehler der ganzen Organisation sehen, daß die Korrespondenten nicht dazu angehalten wurden, zunächst rein archivaliscbe Ordnungs­arbeit zu leisten, sondern daß sie veranlaßt wurden, im Interesse des Landesarchivs in den Archiven nach historisch wichtig erscheinendem Material zu stöbern und es ihm im Original oder in Abschriften zu ver­schaffen. Hi iji Das mährische Landesarchiv war nach der Organisation des Jahres 1856 als ein »allgemeines« gedacht, in das nicht nur »alle auf Recht, Verfassung und Geschichte des Landes in allen Verzweigungen im weitesten Sinne bezug nehmenden älteren, zum kurrenten Dienste nicht mehr erforderlichen Schriften, Urkunden und Akten der Landesbehörden«, sondern »ferner die Urkunden, Verzeichnisse und die Abschriften — wo die Akquirierung der Originalien nicht möglich ist — der sämtlichen Ur­kunden in allen Archiven des Landes« kommen sollten. Das Haupt­augenmerk wurde auf die staatlichen Ämter gerichtet, da sie nicht nur für die allgemeine Landesgeschichte überaus wertvolles uraltes archivali- sches Material besaßen, sondern weil der damalige Statthalter von Mähren, Leopold v. Lazansky (1847—1860) dem Archivwesen größtes Interesse entgegenbrachte und alle Schritte der Landesarchivdirektion in dieser Richtung auf das fördersamste unterstützte. Konnte damals an die Gründung eines staatlichen Archivs in Mähren nicht gedacht werden, so sahen sich in Anbetracht des Aufschwungs, den das Landesarchiv genommen hatte, sowohl Statthalterei, als verschiedene Justiz- und Finanzbehörden, wie damals in den fünfziger und sechziger Jahren so auch später, um so eher bewogen, sich eines Teils ihres ältesten Archiv­materials zugunsten des Landesarchivs zu entledigen. Was das Landes­archiv von 1856 bis zum heutigen Tage in dieser Hinsicht für die in seinem Besitze oder unter seiner Aufbewahrung befindlichen staatlichen Archivbestände getan hat, wieviel der Vernichtung, Vermoderung, Skar- tierung bereits preisgegebenes Material auf diese Weise gerettet wurde, mit welcher Sorgfalt, mit welchen Kosten es geordnet und verwahrt wurde, ohne daß dem Staat daraus auch nur die mindesten pekuniären Opfer oder sonst welche Auslagen erwachsen wären, hier näher auszu­führen, kann nicht meine Aufgabe sein; in eingeweihten Kreisen sind

Next

/
Thumbnails
Contents