Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)

P. Benedikt Hammerl: Die Bibliothek des Wiener Klerikers Otto Gnemhertl um 1300, heute in der Stiftsbibliothek zu Zwettl

202 P. Benedikt Hammerl. In diesem Quellenwerk erscheint Otto Gnemhertl 1313 und 1317 mit dem bloßen Namen, 1321 als Kaplan, 1327 als Pfarrer, 1333 als »chapplan und Verweser«, 1340 als »cchaplan«, 1348 als »pharrer und chaplan« der Kirche Maria am Gestade (auch Maria Stiegen heute) in Wien. Die zahlreichen Schenkungsvermerke, welche verschiedene dank­bare Zwettler Hände in die geschenkten Volumina eingetragen haben, nennen ihn bald einfach »sacerdos«, bald »plebanus ecclesie sancte Marie virginis in Litore in Wienna«. Von dem Einband des von Otto herstammenden heutigen Codex Zwettl. 309 konnte ich das Fragment eines auf Pergament in Urkunden­form geschriebenen Testamentkonzeptes Ottos ablösen; aus diesem Frag­ment erfahren wir eigentlich das meiste über Ottos Verhältnisse. Das Datum dieses Testamentes wird vor 1324 anzusetzen sein, da in dem­selben Ottos Vater, Marehard Gnemhertl, noch als lebend bezeichnet wird, während eine Urkunde des Friedrich Gnemhertl, des Bruders Ottos, vom Jahre 1324 (1. c. 1. Abteilung, 1. Bd., Nr. 766) den Vater Marehard nicht mehr erwähnt. Nach diesem Testamentsfragment besaß Otto Gnemhertl einen gleich­namigen Sohn Otto, den er besonders reich bedenkt, einen Bruder Friedrich, einen Bruder Greif, der Mönch in Zwettl ist, eine Schwester Margareth, verheiratete Schützenmeister in Wien, mit ihren zwei Kindern Berthold und Margaretha, und eine Schwester Irmgard zu Neuburg. Diesen seinen Verwandten, aber auch den Siechen und der Andreas­kapelle im Wiener Bürgerspital, den Zisterzienserinnen im Kloster St. Bern­hard bei Horn, endlich »hintz dem Heligen Chreutze« vererbt Otto Wein­gärten in Grinzing, Gumpoldskirchen, am Nußbach, am Wienerberg, einen Keller »Unter den Lauben« und bares Geld. Bei seinem Tode im großen Pestjahr war Otto allem Anschein nach ziemlich betagt; ob er clericus uxoratus war oder etwa erst nach der ehelichen Geburt seines Sohnes Otto als Witwer in den geistlichen Stand trat, läßt sich nicht feststellen, es genießt jedoch nach dem Tenor des Testamentfragmentes Otto filius alle legitimen Erbrechte. Wie wir sehen, versetzte der im Testament nachgewiesene Wohl­stand Ottos ihn in die Lage, ältere Bücher zu erwerben und neue sich schreiben zu lassen. Auf diese Doppelart nämlich dürfen wir uns das Entstehen seines Bücherschatzes zurechtlegen, den numerischen Aus­schlag dabei gibt nach dem Zeugnis des Schriftbefundes die zweite Er­werbungsart, das Schreibenlassen von Zeitgenossen oder der Kauf von Erzeugnissen der zeitgenössischen Schreiberschule, richtiger Schreiberzunft, Nach dem Schriftbefund gehören nämlich aus den erhaltenen 32 Volumina bloß 9 Volumina der Zeit vom Ende des 11. bis Mitte des 13. Jahrhunderts an, während in das Ende des 13. und den Beginn des

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