Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 7. (Dritte Folge, 1911)

Gentz und Fasbender. Ungedruckte Briefe aus der Zeit von 1802 bis 1808. Mitgeteilt von Major Jacubenz

100 Jacubenz. Es ist mir, die Wahrheit zu sagen, wenig daran gelegen, in diesem Zeitpunkt nach Wien zu gehen. Fünf oder sechs Personen, unter welchen Sie natürlich einen der ersten Plätze einnehmeu, wünsche ich sehnlich zu sehen und zu sprechen; das Übrige aber würde mir eher Widerwillen als Genuß be­reiten, von mancherlei Verlegenheiten und Collisionen nicht einmal zu gedenken. Hier lebe ich einsam und eintönig, aber Gottlob ruhig und frei. Ich bringe fast den ganzen Tag in meiner Stube, den Abend ein für allemal bei der Prinzessin von Hohen- zollern zu. Durch die Abreise von Anikó ff und Mohrenheim nach- einer Seite, von Wallmoden und Dietrichstein1) nach der andern, habe ich freilich sehr viel verloren; doch — dieser Winter wird nicht ewig dauern und für den Sommer gehen mir vielleicht neue Plane und Hoffnungen auf. Wenn mich auf dem festen Lande durchaus niemand brauchen kann, oder will, oder darf, so werde ich durch das was von meinem Kopf übrig ge­blieben ist, vielleicht doch noch England (und dadurch auf indirecte Weise auch Europa) einige Dienste leisten können; und, wenn diesen Winter nicht irgend eine große Ver­änderung sich zuträgt, so möchte es wohl der letzte sein, den ich auf dem festen Lande verlebe. Haben Sie doch die Gnade, eine der vielfältigen Ge­legenheiten, die sich jetzt darbieten, zu benutzen, um mir einige Zeilen zu schreiben. Außer Trogoffe, sind Fürst Windischgrätz, Graf Franz Kollowrat, Graf Thun und viele andere 1 Prager in Wien, die alle in wenigen Wochen zurückkehren. Insofern es Ihnen möglich ist, berichtigen Sie doch meine Ideen über das, was man von dem Abgänge des Erz­herzogs Karl, und anderen großen Veränderungen spricht. Die Monarchie wird nun, da Bonaparte schwach und unentschlossen genug war, um sie für diesmal aus der Schlinge zu lassen, wohl noch einige Jahre vege­tieren. Er konnte sie mit einem Schlage vernichten; *) *) Moritz Graf D i e t r i c h s t e i n, der nachmalige Erzieher des Herzogs von Reichstadt.

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