Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)

Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809

Das Herzogtum Warschau. 65 Hebung der Volksbildung, Unterstützung und Pflege aller den Volkswohlstand fördernden Einrichtungen hätten das nächste Ziel der Regierung bilden müssen. Nur so wäre es möglich gewesen, ein Leiden zu beheben, an welchem das junge Staatengebilde vom ersten bis zum letzten Tage seines Bestehens krankte — den chronischen Geldmangel. Wünschte Napoleon in der polnischen Armee eine brauchbare Unterstützung bei seinen militärischen Plänen, einen starken Posten auf seiner Beobachtungsstation im Nord­osten Europas zu besitzen, so erschien der Warschauer Regierung die Erhaltung und Kräftigung des Heeres für die Sicherheit des Staates inmitten feindlicher Nachbarn nicht minder wichtig, ja das Hauptziel ihrer Tätigkeit. Mochte auch der Stand von 30.000 Mann, wie ihn Napoleon festgesetzt hatte, für die Einwohnerzahl von 2Vs Millionen Seelen numerisch nicht zu hoch gewesen sein, die materielle Leistungsfähigkeit des Landes überstieg er doch weit. Die in der Dresdener Konvention übernommene Ver­pflichtung zur Verpflegung von 30.000 Mann französischer Truppen, sowie der Ausbau der festen Plätze verursachten derartige Kosten, daß der Militäretat fast die gesamten Staats­einnahmen verschlang '). Es hätte einer Reihe, von Jahren ruhiger Entwicklung bedurft, ehe die wirtschaftlichen Ver­hältnisse des Herzogtums sich soweit gebessert hätten, daß das Land ohne Schaden für sein Gedeihen Ausgaben zu bestreiten vermocht hätte, wie sie gleich in den ersten Monaten seines Bestandes zu leisten waren. Polen war ein Agrikulturstaat. Industrie und Bergbau gab es nicht, die gewerbliche Tätigkeit stand auf der untersten Stufe der Entwicklung, die Viehzucht war vernachlässigt worden. Die einzigen Einnahmsquellen lagen im Export von Getreide, Brennholz und Holzkohlen. Die Ausfuhr war aber durch den Krieg 1806—1807 nahezu völlig aufgehoben. Eür ihre Lieferungen während des Krieges erhielten die Grund­besitzer nur ganz geringe Summen oder gar nichts, und der Friede brachte keine Besserung. Was an Exportartikeln bis Danzig gelangte, ließ die Kontinentalsperre nicht aufs Meer bringen. *) Flathe, 23. Mitteilungen des k. und k. Kriegsarchivs. Dritte Folge. IV. Bd. 5

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