Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)
Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809
42 Just. Die Opferfreudigkeit der Nation anzuerkennen, anzu- nehmen, ja auszunutzen, zögerte Napoleon nickt. Er gab aus politischen Gründen sogar übertriebene Schilderungen von der Begeisterung und Leistungstähigkeit des Landes, eine bindende Zusage jedoch zu machen, was Polen von ihm erwarten könne, wies er zurück. Wer eine solche verlange, sei ein Egoist, von wenig Vaterlandsliebe erfüllt. Arithmetisch ließe sich die Wiederherstellung Polens nicht berechnen. Er beabsichtige nicht, mit demselben ein Mitglied seiner Familie auszustatten, denn an Kronen für diese mangle es nicht1). Ob die große Nation wieder zum Leben erstehen werde? Gott allein, welcher die Geschicke lenkt, könne über dieses große politische Problem entscheiden* 2). Diese Zurückhaltung Napoleons machte viele einsichtige und weiterblickende Politiker stutzig, die Masse des Volkes aber glühte vor Verlangen, unter die Fahnen zu treten. Wie ein Frühlingssturm ging das Kriegsgetöse durch das Land, die Hoffnung auf Selbständigkeit weckend, welche die preußische und russische Herrschaft wie unter einer Schneedecke begraben hatte. Die Feinde Napoleons waren ja auch die alten Feinde Polens. So schwanden alle Bedenken und schrankenlos vertraute sich die polnische Nation der Führung des Imperators an. Diesem aber lag die Zukunft des Landes wenig am Herzen. Warschau war besetzt, Thorn durch das Korps Lannes genommen, die Weichsel nunmehr zur Operationsbasis weiterer Offensivbewegungen geworden. Polen hatte jetzt die „Große Armee” mit Lebensmitteln zu versorgen und an Streitkräften so viel als irgend möglich aufzubringen. Zu diesem Zwecke erließ Murat bereits am 1. Dezember ein Dekret zur Errichtung einer „polnischen Verwaltung in Warschau für die wiedergewonnenen Landesteile3)”. Die früheren preußischen Ämter, und zwar die kgl. Kriegs- und Domänenkammern sowie die Regentschaftskammer wurden beibehalten und um 14 Mitglieder vermehrt. b C. d. N, I., Tom. XIV, 11, Nr. 11.350. 2) Ebenda, 2, Nr. 11.332. s) d’Angeberg, 453.