Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 5. (1903)

Die Landes-Vertheidigung - Landes-Vertheidigungs-Institutionen in Ungarn und seinen Nebenländern

Die Insurrection und die Banderien Auch in den Ländern der ungarischen Krone beruhten die Institutionen zur Regelung der Landes-Verteidigung zwar im allgemeinen auf dem Principe des Lehens-Systems, unterschieden sich von jenen der erbländischen Provinzen jedoch wesentlich dadurch, dass erstens der König, welcher sich zwar das Majestätsrecht, über Krieg und Frieden zu entscheiden, vorbehielt, im Sinne der Verfassung verpflichtet war, nicht nur mit den von ihm zu unterhaltenden oder zu besoldenden Truppen in erster Linie für die Verteidigung des Reiches zu sorgen, sondern auch persönlich den Oberbefehl des Heeres zu führen1), und dass zweitens die wohl auch mit dem Lehens-System eng verbundene Ver­pflichtung des Adels zum Kriegsdienste hier sich noch durch Jahrhunderte forterhielt und nach ganz eigenartigen Principien geregelt war. Nach den ältesten ungarischen Gesetzen war jeder Adelige (Freie) principiell Soldat, anderseits konnte nur jener ein Edelmann sein, der vermöge seiner Geburt zum Soldatenstand geeignet war, also jeder Freigeborene, während der Leibeigene und der seiner Sclaverei bloss unter gewissen Bedingungen Enthobene vom Kriegsdienste ausgeschlossen waren, da diese in Bezug auf ihren bürgerlichen Stand im Staate nicht als „Person” galten* 2). Der vom König Stephani., theilweise aus den alten Stammesgeschlechtern, insoweit solche noch nicht ausgestorben waren3), geschaffene Feudal-Adel, welcher sich in die Barone4) (Magnaten) und die Edelleute (nobiles) gliederte, welch’ letzteren die Ritter (milites) gleichgehalten waren, so wie die diesem Stande« (dem Adel im allgemeinen) gleichgehaltene Geistlichkeit5) trugen vorzugs­weise die Lasten der constitionellen Kriegspflichten, welche doppelter Art waren: D Im 12. und 33. Jahrhundert entzogen sich die Könige wohl vielfach dieser Ver­pflichtung, doch jene aus dem Hause Anjou, sowie später die Könige Sigismund von Luxemburg, Matthias Corvinus und Ludwig II. übten dieselbe wieder aus. Nachdem im 16. Jahrhundert der grösste Theil Ungarns unter türkischer Herrschaft stand und die Landes-Vertheidigungs-Institutionen nicht mehr zur vollen Entfaltung gelangen konnten, anderseits infolge Einführung des stehenden Heeres, zu welchem später auch Ungarn sein entsprechendes Contingent stellen musste, fand unter den Königen aus dem Hause Hab s- burg, welche gleichzeitig auch die Römisch-deutsche Kaiserwürde bekleideten, keine persönliche Uebernahme des Oberbefehles seitens derselben mehr statt. 2) Piringer, „Ungarns Banderien”. I. Band, Seite IS; dann: „Alexich, „Die freiwilligen A ufgebote Ungarns im ersten schlesischen Kriege” (Mittheilungen des k. u. k. Kriegs-Archivs, Heue Folge, IV. Band, Seite 117). 3) Wie bei allen nomadisierenden Völkern war auch bei den Ungarn zur Zeit ihrer Sesshaftmachung im Lande die Eintheilung in „Familien” oder „Stammesgeschlechter” üblich. Unter König Ladis 1 aus dem Kumanier (1272—1290) sollen eieren noch 108 bestanden haben. (Mailáth, „Geschichte der Magyaren”, II. Band, Seite 257 u. s. w. enthält ein namentliches Verzeichnis derselben.) 4) Die Benennungen „principes” (Fürsten) und „comes” (Grafen) bezeichneton damals noch nicht den G-eburtsadel, sondern nur königliche Beamte. 5) Die höhere G-eistlichkeit, die Bischöfe, Prälaten und Aebte, oder die „Prälaten”, wie sie kurzweg genannt wurden, bildeten mit den Baronen (Magnaten) zusammen auch den sogenannten „Herrenstand”. Was das gegenseitige Rangsverhältnis der beiden Theilo des Herrenstandes betrifft, so hatte schon nach den Bestimmungen König Stephan’s die Geistlichkeit den ersten Rang einzunehmen, was auch durch König Matthias im Jahre 160S, anlässlich der Krönung desselben, erneuert bestätigt wurde. (Piringer, I. Band. Seite 132.)

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