Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 5. (1903)

Die Landes-Vertheidigung - Landes-Vertheidigungs-Institutionen in Ungarn und seinen Nebenländern

174 1. Jeder Adelige und Geistliche war verpflichtet, im Talle der Gefahr und so oft ihn die Beihe traf, persönlich in das Teld zu ziehen1) oder, da wie bekannt, das Kriegsvolk der ungarischen Nation in älteren Zeiten aus­schliesslich aus Keiterei bestand: „aufzusitzen” (insurgere) und wurde dieses persönliche Aufgebot mit dem Namen der „Personal-Insurrection” be­zeichnet. 2. Waren die beiden genannten Stände verpflichtet, nach Massgabe ihres Grundbesitzes eine Anzahl waffenfähiger Unterthanen in das Feld zu stellen. Da die grösseren Grundherren wie in anderen Staaten das Hecht hatten, diese beigestellte waffenfähige Mannschaft bei grösserer Zahl unter ihrem Banner (Fahne), dem „bandérium” zu führen, wodurch die ersteren auch „Bannerherren” genannt wurden, so übergieng später, in ähnlicher Weise wie der Begriff „Fahne”, der Name bandérium auch auf die betreffende Abtheilung selbst und bildete dieses Aufgebot die „Banderial-Miliz”, oder kurzweg „die Banderien”, für welche später, wie eingehender geschildert werden wird, die Benennung „Portal-Miliz” üblich wurde; fälschlich wurde diese vom 18. Jahr­hundert an auch „Portal-Insurrection” genannt. Die eingangs erwähnten, vom Könige verfassungsgemäss zu unterhaltenden Truppen, wozu in späteren Zeiten auch ausschliessliche Sold-Truppen kamen, wurden mitunter auch mit dem Namen „königliches Heer” bezeichnet* 2), während die Personal-Insurrection und die Banderien (Portal-Miliz) auch das sogenannte „National-Heer” bildeten. Letzteres wurde anfänglich kurzweg mit dem Namen „militia” bezeichnet, später erscheint jedoch für dasselbe dér Ausdruck „In­surrection” im allgemeinen üblich, was jedoch1 streng genommen nicht richtig war, da eigentlich nur das persönliche Aufsitzen der Edelleute mit diesem Worte zu verstehen war. Bezüglich der Verwendung der einzelnen Theile der zur Verteidigung des Landes verfügbaren Streitkräfte galt von alterszeiten her der Grundsatz, dass bei einem feindlichen Angriffe zuerst den vom Könige zu unterhaltenden Truppen, dem königlichen Bandérium, den Banderien der königlichen Beamten und den Comitats-Banderien, die Abwehr des Feindes oblag; sollten diese nicht ausreichend sein, dem Feinde Widerstand zu leisten, so hatten die Banderien des Adels und der Geistlichkeit, beziehungsweise später deren Portal-Miliz auszurücken und erst wenn auch diese Macht unzureichend wäre, hatte der Adel Mann für Mann aufzusitzen und unter dem unmittelbaren Befehl des Königs oder des Kron-Feldherrn, des „Palatins”, in das Feld zu ziehen. Das Aufgebot der Banderien oder Portal-Miliz allein wurde auch mit dem Namen „Particular-Heerfahrt” bezeichnet, während, wenn auch die Personal-Insurrection in Wirksamkeit trat, beide Theile den „ganzen Heer­bann” oder eine „General-Heerfahrt (-Insurrection)” bildeten. Ausnahms­weise endlich konnte in Zeiten höchster Gefahr auch das Aufgebot aller waffen­fähigen Mannschaft, des „Landsturmes” erfolgen, welcher jedoch, von der Verfolgung des fliehenden Feindes abgesehen, nicht ausser Landes verwendet werden sollte. Bevor auf die Schilderung der einzelnen Theile des National-Heeres, welches die Elemente der eigentlichen „Landwehr” im engeren Sinne enthielt und wie erwähnt, wenn auch nicht correct, mit dem Namen der „Insurrection” bezeichnet wurde, eingegangen wird, erscheint es nothwendig, einige An­deutungen über die Zusammensetzung der früher erwähnten Theile des könig­lichen Heeres zu geben, welche der König verpflichtet war zu unterhalten und mit denselben in erster Linie die Vertheidigung des Reiches zu fördern. Zum Verständnis dieser Institutionen muss kurz die militärisch-politische Eintheilung Ungarns berührt werden. r) In Bezug auf die Geistlichkeit bestand wohl in anderen Bändern auch die Ver­pflichtung derselben, ihre Unterthanen in das Feld zu stellen oder sonstige Contributionen in Geld zu Kriegszwecken zu leisten, die Pflicht des persönlichen Kriegsdienstes be­stand aber nur hier, und geben die Blätter der Geschichte Ungarns vielfach Zeugnis, dass die Geistlichkeit dieser Verpflichtung mit Opferwilligkeit und Patriotismus nachgekommen ist. 2) Horvath, „Geschichte der Ungarn”, I. Band, Seite 40 bis 41.

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