Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 2. (Dritte Folge, 1903)
Hauptmann Criste: Die österreichische Truppen-Aufstellun gegen Preussen und Polen, 1790
6 Criste. Theilung an Oesterreich verlorene Galizien zurückerhalte, wogegen Oesterreich durch türkische Gebietstheile zu entschädigen war. Aber König Friedrich II. stand Verhandlungen mit der Pforte skeptisch gegenüber. In seiner Jugend hatte er wohl wiederholt Schritte zur Annäherung an die Türkei gethan, aber älter und erfahrener geworden, es aufgegeben, den „Don Quixote der Türken zu spielen”, und auch nach seinem Tode zeigte sich in Berlin wenig Geneigtheit, das gute Verhältnis mit Russland durch näheren Anschluss an die Pforte zu trüben. Der verhältnismässig billige Triumph der preussischen Waffen in Holland 1787 und der drohende Ausbruch des Krieges gegen die Türkei veranlassten den Grafen Hertzberg, seinen zu den Acten gelegten Plan neuerdings hervorzuholen und mit gesteigertem Eifer zu vertreten. Ohne Preussen in einen Krieg zu verwickeln und, wie er glaubte, bei voller AVahrung der Interessen aller betheiligten Mächte, gedachte er für Preussen Danzig und Thorn, die Palatinate von Posen und Kalisch zu erwerben und diesem Staate hiedurch die ihm bisher fehlende Abrundung und Ausdehnung, nebst dem überwiegenden Einfluss in Polen zu sichern. Nicht weniger wollte Hertzberg, als dass die Pforte an Oesterreich die Walachei und Moldau, an Russland die Krim, Bessarabien und den Bezirk von Oczakow abtrete, unter der Bedingung, dass Preussen, Frankreich und andere Mächte dem osmanischen Reiche seine dauernde Existenz jenseits der Donau in der Weise garantierten, dass die Donau und die Una die ewige Grenze zwischen der Türkei und der Christenheit bilden sollte. Oesterreich hätte für die neue Erwerbung Galizien an Polen und dieses dafür die genannten polnischen Gebietstheile an Preussen abzutreten, Russland aber ein Stück von Finnland an Schweden zurückzugeben, welches dafür und gegen eine Geldentschädigung von einigen Millionen auf seinen pommerischen Besitz zu Gunsten Preussens zu verzichten hätte x)Nicht alle preussischen Staatsmänner, am allerwenigsten der preussische Gesandte in Constantinopel, Heinrich Friedrich von Diez, sahen in diesem Plan, wie Hertzberg, „das Ei ') Denkschrift Hertzberg’s vom 15. December 1787. Hertzberg an den preussischen Gesandten in Constantinopel, 24. November 1787.