Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)

Hauptmann von Hoen: Der Strassenkampf in Paris am 28. und 29. Juli 1830

62 H o e n. treten, die Veröffentlichung der Ordonnanzen hatte demnach noch Zeit; es konnte wenigstens die Ankunft des 4. Garde- Regiments erwartet werden. Man behauptet, dass die Minister auf das durch die Ordonnanzen verursachte Fallen der Rente speculierten und daher fürchteten, bei einer Verzögerung beim Ultimo Verluste zu erleiden1). Vielleicht bewog sie der Um­stand zur Eile, dass bei längerer Zögerung das Geheimnis nicht werde gewahrt werden können. Jedenfalls hätten sie sich vor Augen halten müssen, dass auch der schlimmste Fall eintreten konnte, um ihre Anstalten für diesen zu treffen. Man hätte die Sicherung des Unternehmens durch recht­zeitige Concentrierung der Garde, Ablösung der zweifel­haften Linien - Regimenter durch solche aus der legiti- mistisch gesinnten Vendee und Bretagne, Bereitstellung einer ausreichenden Menge von Geschützen mit zuverlässiger Bedienungs - Mannschaft (Marine -Artillerie) nicht versäumen dürfen. Es fehlte indessen nicht nur an Soldaten, sondern auch an Lebensmitteln und an Munition. Schon Mittwoch, den 28., früh, konnten die Verpflegs- Artikel nicht zur Vertheilung gebracht werden. Im Laufe dieses Tages wurde die Wache des Verpflegs-Magazins in der Strasse Cherche du midi entwaffnet, wodurch die Brod- und Mehl-Vorräthe in die Hände der Aufständischen fielen. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, fehlten die Fuhrwerke zum Transport. Die tragbaren Kochkessel der Schwärme waren vor einigen Jahren abgeschafft und durch grosse Kessel ersetzt worden, die in den Kasernen standen. Man wollte damit Heiz-Material ersparen. Als die Truppen um die Tuilerien concentriert wurden, war ihnen die Möglichkeit genommen, abzukochen, da die Kasernen in der ganzen Stadt zerstreut waren und sich zumeist im Besitze des Volkes befanden, * 9 *) Schnitzler, Ausführlicher Bericht eines Augenzeugen über die letzten Ereignisse der französischen Revolution vom 26. Juli bis 9. August 1830. Nach Gervinus bedauerte Polignac bei der Mit­theilung vom Fallen der Rente, dass er kein Geld habe, um solche zu kaufen, da sie wieder steigen werde.

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