Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)

Hauptmann von Hoen: Der Strassenkampf in Paris am 28. und 29. Juli 1830

Der Strassenkampf in Paris am 28. und 29. Juli 1830. 45 benützte die Verblendung der Liberalen, welche in ihrem Uebermuthe das ihrer Richtung so entgegenkommende Mini­sterium erschütterten, um Martignac zu entlassen und, da mit der Kammer selbst dieser dem Könige aufgedrungene Minister nicht auskommen konnte, einen Mann seines Ver­trauens ohne Rücksicht auf die Gesinnung der Mehrheit zu wählen. Am 9. August 1829 erschienen königliche Ordon­nanzen, die an Stelle Martignac’s den reactionären Fürsten Polignae setzten. Das Land gerieth in grosse Aufregung; allgemein be­fürchtete man von dem neuen Rathgeber des Königs einen Umsturz der bestehenden Verfassung, welche Befürchtungen durch die unvorsichtigen Aeusserungen einzelner Royalisten und ihrer Zeitungen fortwährend Nahrung erhielten. Die Sprache der oppositionellen Blätter wurde'eine masslose; Flugschriften erschienen gegen die neuen Minister, und es wurden Pamphlete angeschlagen, ohne dass es die Polizei hindern konnte. Man wies auf das Beispiel Englands hin, wo auch erst eine zweite Revolution die Früchte der ersten und der Hinrichtung eines Königs gezeitigt habe, und erwog an Hand des Vergleiches der Bourbons mit den Stuarts die Möglichkeit, eine Dynastie zu vertreiben, ohne den Thron umzu­stürzen. Ferner wurde die Frage der Steuer-Verweigerung öffent­lich erörtert, indem man den Fall voraussetzte, dass die Kammern nicht zur Bewilligung des Budgets einberufen würden. Diese drohenden Anzeichen vermochten den Fürsten Polignae nicht zu beirren. Nach seiner Ansicht waren Arbeit, wohlfeiles Brot und geringe Steuern das Wesentliche einer Charte für das Volk. Er trug sich daher mit dem Gedanken, eine Anzahl auffällig nützlicher Gesetze einzu­bringen, Ersparnisse im Staatshaushalt zu machen und hoffte durch diese praktische Politik, die Mehrheit auf seine Seite zu bringen. Ein grosser Fehler war, dass er nicht sofort in der 0effentlichkeit diese löblichen Absichten verlauten liess. Den Umsturz-Gerüchten trat er energisch entgegen, auch scheint er zu jener Zeit wirklich nicht an derartige Gewalt- Acte gedacht zu haben. Er fand jedoch keinen Glauben und die Verhetzung seitens der Liberalen nahm ihren Fortgang.

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