Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)
Hauptmann Criste: Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Carl
16 Criste. Machen Sie dem Oberstlieutenant Bianchi1) meine Empfehlung und danken Sie ihm für seine Erinnerung. Colloredo und Delmotte baten mich sie Ihnen zu Füssen zu legen und zu danken, dass Sie sich in Ihrem Brief an mich an sie erinnerten. Wir sprechen oft von Ihnen und nie ohne Rührung. Empfangen Sie nochmals meinen wärmsten Dank für Ihre Genauigkeit mir zu schreiben; jeder Tag, wo ich einen Brief von Ihnen erhalte, ist ein vergnügter Tag für mich: jeder Brief dient _ mir zur Beruhigung, da mich doch der Gedanke oft beunruhiget, es möchte Ihnen etwas geschehen sein. Erhalten Sie mir immer Ihre theuerste Freundschaft und seien Sie von der meinigen überzeugt, die nur mit meinem Leben ein Ende nehmen wird. Ich umarme Sie tausendmal zärtlichst. Carl. IV. Prag, den 17. Juui. Theuerster Vetter! Ihrem mir in Ihrem letzten Briefe geäusserten Wunsche gemäss, will ich fortfahren, Ihnen meine Meinung über die dermalige Lage der Dinge zu schreiben. Ich bin nicht nur ganz mit Ihnen einverstanden, dass es räthlich sei, Moreau in dem jetzigen Augenblicke, wo er sich durch Detachierungen geschwächt hat2), anzugreifen; sondern ich sehe es sogar als Pflicht von Seite des FZM. Kray an, diesen vortheilhaften Zeitpunkt nicht vorübergehen zu *) *) Friedrich Freiherr von Bianchi, Duoa di Casalanza, geboren am 1. Februar 1768, kam 1798 als Hauptmann und Interims-Flügeladjutant an die Seite des FZM. Prinzen von Oranien. Nach dessen Tod am 6. Januar 1799, wurde Bianchi, am 3. Februar zum Major im General- Quartiermeisterstab befördert, zum militärischen Begleiter des Erzherzogs Ferdinand bestimmt. Auf Vorschlag des Erzherzogs Carl avancierte er bereits, am 7. März 1800 zum Oberstlieutenant, am 1. Juni desselben Jahres auf Vorschlag Kray’s zum Obersten. Bianchi starb nach ruhmvoller militärischer Vergangenheit als Feldzeugmeister und Commandeur des Maria Theresien-Ordens am 21. August 1855. '-) Moreau hatte Mitte Mai ein Corps von 10.000 Mann in die Schweiz zur Verfügung des ersten Consuls und eine Brigade über Tirol abgesendet.