Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)

Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten

61 — welcher auch in administrativer Richtung mit demselben eine Abrechnung pflegen musste. Als es gegen Ende des 17. Jahrhunderts vorkam, dass bereits in der Obristen-Charge stehende Personen in Folge von Reductionen anderweitig untergebracht werden mussten, wurden manche derselben Regimentern zu Fuss zugetheilt, „aggregiert”1), wie dies damals hiess und führten, wenn der Inhaber befördert wurde, oder sonst abwesend war, das Regiments-Commando. Man unterschied in solchen Fällen, den „wirklichen Obristen oder Inhaber” und den „zweiten oder zeitlichen Obristen”* 2 3). Da die Errichtung und Ausrüstung, sowie die Complet-Erhaltung eines Regiments mit stets wachsenden Kosten verbunden war, wurden die Fälle immer seltener, dass Obriste, gewissermassen als Privat-Personen sich zur Anwerbung von Regimentern anboten; nach und nach übernahm der Staat oder die Stände einer Provinz deren Aufstellung, mitunter nur zum Theile, oder auch gänzlich 8). Aus den gleichen Gründen wurden schon seit dem spanischen Erbfolge­kriege die Anerbietungen fremder Souveraine, Regimenter für den kaiserlichen Dienst aufzustellen und selbe ganz, oder auf eine gewisse Zahl von Jahren in denselben zu überlassen, angenommen. Damit im Zusammenhänge erscheinen auch immer weniger in der Obristen-Charge stehende Inhaber, da es anderseits zur Regel wurde, dass vacante Regimenter an bereits in einer höheren Charge stehende Generale verliehen wurden. Unter Kaiserin - Königin Maria Theresia, beziehungsweise Kaiser Franz I. wurde es üblich, dass der Monarch sich selbst die Inhaber-Stelle eines oder des anderen Regiments vorbehielt4 5], oder dass Regimenter an Prinzen des kaiserlichen Hauses verliehen wurden, welche oft noch gar keine Charge im kaiserlichen Heere bekleideten und nur nominell den Titel „O brist-Inhab er” führten6). (Solche Regimenter wurden früher auch als „Haus-Regimenter” bezeichnet.) Die Inhabers-Würde wurde sohin von dem Commando des Regiments gänzlich getrennt, begann also in einzelnen Fällen nur noch eine Ehrenstelle zu sein. Die Inhabers-Rechte wurden seit 1767 bei solchen Regimentern, wo entweder der jeweilige Monarch oder ein Prinz des kaiserlichen Hauses als Obrist-Inhaber fungierte, durch eigens hiezu ernannte, in einer höheren Generals- Charge stehende, sogenannte „Zweite Inhaber” ausgeübt6). Ein Gleiches erfolgte in jenen Fällen, wo, wie es seit 1817 üblich wurde, Mitglieder fremder regierender Häuser, welche gar keine Charge im kaiserlichen Heere bekleideten, zu Obrist-Inhabern eines Regiments ernannt wurden, beziehungsweise ein Regiment deren Namen führte7). rj Der aggregierte Officier genoss nur die Gebühr jener Charge, die eben frei war, manchmal wurden rar selbe specielle Gebühren normiert. 2) Mitunter wurde auch einem oder dem anderen Obristlieutenant, welcher ein Re­giment commandierte, in Anerkennung hervorragender Dienste die Obristen-Charge, jedoch nur als Titel verliehen. , 3) 1733 Aufstellung der Regimenter Salm, Colmenero, Mercy, Vettes, Damnitz, wo je 5 Compagnien aus Staatsmitteln, die übrigen auf eigene Kosten der Inhaber angeworben wurden; 1741 Aufstellung von 6 Regimentern durch die Stände Ungarns; 1745 jene des Tyroler Land-Regiments u. s. w. 4) Kaiser Franz I. 1745 Inhaber des jetzigen Infanterie-Regiments Nr. 1, welches seither ununterbrochen den Namen des jeweiligen Monarchen führt. 5) 1749 das Regiment Ujváry, jetzt Alexander I., Kaiser von Russland Nr. 2 an Erzherzog Carl (geboren 1744). ö) In den Jahren 1761—1765 wurden die Inhabers-Rechte bezüglich des Infanterie- Regiments Erzherzog Ferdinand Nr. 2, dann des Cürassier-Regiments Erzherzog Maximilian (jetzt Dragoner-Regiment Nr. 8), da die betreifenden Erzherzoge noch Kinder waren, durch Kaiser Franz I. als „Director” dieser Regimenter gewissermassen persönlich ausgeübt; nach dessen Tode Übergiengen sie vorübergehend an den Hofkriegsrath. 7) Aehnliche Fälle ereigneten sich wohl bereits im vorigen Jahrhundert auch, so z. B. als nach dem 'lode des Churfürsten von Trier die bisherigen Regimenter Alt- und .Tung-Lothringen, dann Osnabrück an ilie 3 Söhne des Herzogs Leopold von Lothringen, Leopold, Franz Stephan und Carl verliehen wurden (Patent Nr. 4545) und diese Regimenter

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