Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)
Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten
Die Chargen und ihre Obliegenheiten. A. Personen des Stabes. a) Höhere Officiere. Der wirkliche Obrist oder Regiments-Inhaber. In den ersten Zeiten der Formierung von Regimentern als tactisch-administrative Körper führte der mit Bestallungs-Patent zum Commandanten über eine gewisse Anzahl Fähnlein ernannte Obrist, zum Unterschiede von dem Feld-Obristen (General - Obristen), dem Oberbefehlshaber des ganzen Heeres, den Titel: „Obrist über ein Regiment Fussvolk (Regiment zu Fuss).” Schon damals hatten dieselben fast unumschränkte Gewalt über ihre Regimenter und waren nur dem Feld-Obristen, oft in der Person des Landesfürsten selbst, untergeordnet. Noch mehr bildete sich die Selbstständigkeit des Regiments-Inhabers im 30jährigen Kriege aus, wo durch die Art des Werbe-Systems und durch den Charakter der Kriegführung jener Zeit überhaupt, sich dieses Amt zu einem sehr einträglichen gestaltete. Die Benennung „Obrist-Inhaber” entwickelte sich, obwohl der Obrist vermöge der grossen Vorrechte und Gewalt, welche er, verbunden mit den materiellen Vortheilen, über das Regiment besass, stets als der Eigenthümer (proprietaire) desselben galt, erst von dem Zeitpuncte an, wo es sich durch die längere Beibehaltung der Regimenter in kaiserlichem Dienste ergab, dass der Obrist, in eine Generals-Charge befördert, als solcher das Commando des Regiments nicht mehr unmittelbar führte oder führen konnte, jedoch im Genüsse der damit verbundenen Rechte und Beneficien verblieb. In diesem Falle führte ein solcher den Titel: „General-Feldwachtmeister” (Feldmarschall-Lieutenant u. s. w.) und „Obrist über ein Regiment zu Fuss”. Auch kam es im 30jährigen Kriege vor, dass vermögende Obriste, mit Rücksicht auf die materiellen Vortheile, gleichzeitig 2, selbst 3 Regimenter errichteten, von denen sie selbstverständlich nur eines in Person commandieren konnten. Kaiser Ferdinand II. ordnete jedoch an1), dass kein Obrist mehr als ein Regiment besitzen dürfe, ebenso wurde von Kaiser Ferdinand III. aus disciplinären Rücksichten verfügt2), dass ein General, welcher nicht im Felde diente, überhaupt nicht Inhaber eines Regiments sein durfte und mussten in Folge dieser Massregel z. B. Feldmarschall Teuffenbach als Land-, Haus- und Zeugmeister, Feldzeugmeister Hannibal Gonzaga als Stadt-Commandant von Wien u. A., ihre Regimenter abgeben. In diesen Fällen übergieng anfänglich das Regiments-Commando an den Obristlieutenant, welchem der Inhaber einen Theil seiner Rechte übertrug und *) *) Instruction vom 27. April 1684. !) K. A., F. A. 1618, IX, 27.