Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)

Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten

— 102 Der Compagnie-Commandant besorgte in seinem Rayon die Conscription mid Recrutierung; ein Officier batte die Populations-Bücher, in welche jeder Wehrpflichtige eingetragen (conscribiert) wurde, zu führen und in Betreff deren Evidenthaltung den Bezirk alljährlich in der Zeit vom 1. März bis 21. Mai zu bereisen. Wenn ein Regiment ausnahmsweise nicht im Werb-Bezirke garnisonierte, wurde die Recrutierung entweder durch eigens hiezu commandierte Officiere, eventuell durch solche des 3. Bataillons, welches sich in einem solchen Falle gewöhnlich dort befand, besorgt. Befand sich das Regiment anderseits im Werb-Bezirke, so galt dessen jeweilige Stabs-Station (Standquartier) auch als Hauptort des Werb-Bezirkes Durch die General-Commanden wurde im Einvernehmen mit den Landes­stellen nach der Zahl der tauglichen Leute eines Bezirkes die Repartition auf die einzelnen Dominien bewirkt, von diesen die „Widmungsrollen” verfasst und solche dem Commandanten des Compagnie-Bezirkes überschickt, worauf- die zur Stellung Gewidmeten durch vertraute Unterofffciere „ohne Aufsehen und in der Stille” ausgehoben wurden. Das stellungspflichtige Alter war damals zwischen dem 17. und 40. Lebens­jahre und bestand für die conscribierte Inländer-Mannschaft die lebenslängliche Militär-Dienstpflicht. Im Sinne des schon 1777 publicierten „Capitulations- Normales” waren nur Ausländer einer Capitulation auf eine bestimmte Zahl von Jahren fähig (und zwar bei der Infanterie auf 6 Jahre), doch wurde den Regimentern aufgetragen, solche möglichst zur Erneuerung der Capitulation, zur „Reengagierung” zu vermögen, in welchem Falle 32 fl. an Reengagierungs- geldern gezahlt wurden. Die Anwerbung conscribierter Unterthanen durfte nicht mehr stattfinden und erstreckte sich die Werbung für die W^erb-Bezirks-Regimenter nur auf Aus­länder (Reichs-Werbung), deren Zahl, um die eigenen Provinzen zu schonen, bei einem Stande von 100 Gemeinen per Compagnie, mit 60 normiert war* 8). Nach einer gleichzeitig verlautbarten Anordnung hatte jede Compagnie, über den früher erwähnten Stand von 100 Gemeinen, noch 40 Mann Inländer zur Completierung auf den Kriegsfall zu assentieren, jedoch auf unbestimmte Zeit zu beurlauben. Nachdem nunmehr die Bekleidung der Mannschaft ausschliesslich aus den Monturs-Commissionen erfolgte, erhielt jeder gestellte „landständische, Recrut” zur ersten Anschaffung der nöthigen Kleinigkeiten, der „Proprietäten”, den Betrag von 3 fl. als Handgeld8). Das Werb-Bezirks-System enthielt auch die Vorschriften über die Mobili­sierung; dieselben waren den damaligen Communications-Verhältnissen ent­sprechend sehr zeitraubend. Sechzehn Tage waren oft erforderlich, bis eine Ordre vom Hofkriegsrath an etwas entfernter garnisonierende Regimenter gelangte; bis jedoch jedes Regiment seine Urlauber und Recruten einzog, seine Artillerie und Beschirrung abholen liess, vergiengen wieder mehrere Wochen. Bei der jährlichen Werb-Bezirks-Revision wurde die Classification der Pferde vorgenommen, diese bei Ausbruch der Krieges assentiert, mit dem Brandstempel versehen und dem Landmann baar bezahlt. Die zur eigenen Proviantwagen- und Feldschmiede-Bespannung erforder­lichen Pferde behielt jedes Regiment sammt Knechten gleich bei sich, die zur Bespannung der Regiments-Artillerie nothwendigen wurden, nebst den Knechten, unter Aufsicht eines Officiers zur Abholung der Kanonen in das angewiesene Artillerie-Depositorium abgeschickt. Jedem Regiment war bekannt, ob und für welches andere es die Pferde- Geschirre aufzubewahren hatte u. s. w. 1788 wurde die Verordnung erlassen, dass auch die Juden gleich den übrigen Unterthanen Militär-Dienste leisten sollten und dass sie den allgemeinen *) Die Bezeichnung Haupt-Werbbezirks-Station wurde erst 1808 üblich. 2) Abgänge an dieser Zahl durften nie durch Inländer, sondern wieder nur durch Werbung oder Reengagierung von Fremden ersetzt werden. 8) Ein Beitrag, der von 1771 bis heute der gleiche geblieben ist.

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