Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)
Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten
— 85 — Der Feldscher. Ursprünglich hatte jede Compagnie einen solchen im Stande; derselbe versah die Krankenpflege, ohne jedoch graduierter oder geprüfter Arzt zu sein und musste daher in schweren Fällen die Intervention eines solchen veranlassen. Er hatte gegen ein „Beckengeld” die Compagnie wöchentlich zweimal zu barbieren, verwaltete die Medicamente und führte hierüber Rechnung; durch den Fähnrich wurde er in seinem Dienste überwacht. 1718 wurde die Charge des Regiments-Feldschers geschaffen, jene der Compagnie-Feldscherer abgeschafft und ein Theil dei’selben als Feldscher- Gesellen dem ersteren unterstellt1). In den letzten Jahren dos 16. Jahrhunderts (niederländischer Krieg), bei einigen Regimentern noch bis Mitte des 30jährigen Krieges, kamen noch folgende Chargen vor: a) Der „Sergeant” (2—3 per Fähnlein! stand im Range zwischen dem Feldwebel und dem Corporal und war über mehrere Corporalschaften gesetzt. b) Der Capitaine d’armes, auch Rüstmeister; dieser hatte die Aufsicht über die Waffen und Munition. In der Verpflegs-Ordonnanz vom Jahre 1610 erscheinen diese Chargen nicht mehr aufgeführt. c) Gemeine Kriegsleute. Hiezu zählten als gemeine Befehlshaber (Unterofficiere, jedoch nicht zur Prima-plana gerechnet, daher obligat): Der Corporal (in den Landsknechtzeiten Rottmeister genannt). Der Corporal war der Vorgesetzte (Commandant) einer Corporalschaft, deren eine Compagnie nach dem damaligen System sechs zählte. Derselbe war zur Vermittlung des Dienstes, zur Ausbildung der Mannschaft, zur Erhaltung der Ordnung berufen, hatte daher eine wichtige und mühevolle Stellung. Die Ueberwachung der Bekleidung des Mannes, der Conservierung der Bewaffnung und Rüstung waren seinem belehrenden Einflüsse überwiesen. Der Corporal sollte der deutschen Sprache mächtig sein und lesen und schreiben können. Kleine Commanden, Wachen u. dgl. wurden vom Corporal geführt. Der älteste Corpora! in der Compagnie führte den Titel ,.Frei-Corporal” (Gefreiter-Corporal)* i 2) und war zur Stellvertretung des Führers berufen. Nach dem Reglement vom Jahre 1769 wurde die Compagnie nur noch in vier Corporalschaften, in tactischer Hinsicht „Züge” genannt, abgetheilt und da im Frieden nur vier Corporate systemisiert waren, so fungierte jeder derselben als Corporalschafts-(Zugs-)Commandant. Als später die Zahl der Corporate, insbesondere im Kriege, wiederholt vermehrt wurde, jeder Zug deren zwei, auch drei erhielt, fungierte der Aelteste derselben immer als „Zugs-Corporal”. Der älteste Corporal in der Compagnie hatte wie früher den Führer, später auch den Feldwebel zu vertreten. 1857 übergieng der Dienst der Zugs-Corporale an die neu creierten „Zugsführer” und hat der Corporal gegenwärtig bei seiner Cameradschaft Ordnung und Disciplin aufrecht zu erhalten und den Zugsführer in Ausübung seines Dienstes zu unterstützen. Er muss mit einer Cameradschafts-Liste versehen sein. Im Gefecht fungiert er in der Regel als Schwarmführer; im Compagnie- Dienst wird er als Corporal vom Tage, ausser demselben als Wach-Commandant, Ordonnanz-Unterofficier, Patrouillen- und Feldwach-Commandant, als quartiermachender Unterofficier, eventuell auch als Transport-Commandant verwendet3). *) Das Weitere über dieselben ist bei den Personen des Stabes abgehandelt. i) Im 30jübrigen Kriege kommen in einzelnen Listen auch Corporate I. und II. Classe vor, der Unterschied lag nur in der Gebühr. 3) Die Dienste ausser der Compagnie können unter Verhältnissen auch durch den Zugsführer oder Feldwebel versehen werden.