Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Preussen und Ungarn

222 K i e n a s t. Der älteste dieser Versuche fällt in das Jahr 1672. Er ist eine Folge der Verschwörung Wesselényis und der darauf ein­getretenen Protestanten-Verfolgungen. Am 24. Mai schrieb der „grosse Kurfürst“ Friedrich Wilhelm an den Kaiser, er sowohl, wie die religionsverwandten Stände seien tief betrübt, dass wider unschuldige Leute so eifrig verfahren würde; den Türken würde durch diese Behandlung Ungarns der Weg nach Deutschland eröffnet, die Unterthanen aber wären bei Aufrechthaltung ihrer Freiheiten, besonders in Gewissenssachen, die sicherste Wracht gegen auswärtige Gewalt. Der Kurfürst wisse aber zu seinem Tröste, dass die Verfolgung nicht von Leopold, sondern von der hitzigen Geistlichkeit ausgehe und bitte den Kaiser, die evange­lischen Ungarn gegen ihre harten Verfolger zu schützen, damit sie „bei fürfallender Noth zu des Vaterlandes Beschirmung das Ihrige treulich und getrost“ vollbrächten. Zwei Wochen später intervenierte auch das Corpus Evangelicorum in derselben Richtung. Noch wiederholt hat sich Friedrich Wilhelm seinen Glaubens­genossen in Ungarn offen und unter der Hand nützlich zu machen versucht, so auch auf dem Friedens-Congresse zu Nym- wegen (1678).*) Warum alle Versuche vergebens sein mussten, hat Kaiser Leopold I. klar ausgesprochen. Als 1685 die Verhand­lungen zwischen Oesterreich und Brandenburg wegen des Schwie- buser Kreises schwebten, hatte der Gesandte des Kurfürsten auch den Auftrag, Abhilfe von den Bedrückungen der Evangelischen in Schlesien und Ungarn zu fordern. Leopold aber setzte dem die richtige Bemerkung entgegen, dass die religiösen Streitig­keiten zum grössten Th eile nur der Deckmantel für die Aufstandsgelüste der ungarischen Magnaten, insbesondere Thököly’s seien.2) *) Krauste, a. a. 0. AVenn derselbe behauptet, die Intervention des Kur­fürsten sei „ohne Rücksicht auf sein politisches Interesse“ geschehen, so dürfte das nicht einmal in Preussen selbst Glauben finden; denn gerade damals fasste man das Aussterben des habsburgischen Mannsstammes in’s Auge und gedachte für diesen Fall Ansprüche auf Schlesien zu erheben. (Siehe den „Entwurf des grossen Kurfürsten zur Erwerbung von Schlesien“, wahrscheinlich vom Jahre 1670 oder 1671, bei L. v. Ranke, „Zwölf Bücher Preussischer Geschichte“ 1. und 2. Band, Seite 518 ff. Leipzig 1874.) Unter allen Umständen aber musste eine preussisch gesinnte Partei in Ungarn von grossem Vortheile sein, mochte gleich dieser nicht so greifbar daliegen. 2) Pribram, Oesterreich und Brandenburg 1685—1686 (Innsbruck, 1884), S.7 f.

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