Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)
Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn
König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn. 209 Stände seines Kurfürstenthums einen öffentlichen Cultus des Katholicismus nicht zugestehen wollten.1) Nachdem die siegreiche Waffenthat bei Zenta den Frieden von Carlowitz (1699) herbeigeführt hatte, in welchem der Kaiser das türkische Ungarn mit Ausnahme des Banats wieder erhielt, erflossen seit 1701 Verordnungen zu Gunsten der katholischen Kirche in den zurückeroherten Gebieten, welche in Bezug auf den Protestantismus keineswegs der Rechte theilhaftig wurden, welche der Oedenburger und Pressburger Reichstagsbeschluss von 1681 und 1687 den diesfällig privilegierten Landestheilen einräumte. Auf diese nun mit kaiserlichen Waffen wieder gewonnenen Ge- bietstheile konnte übrigens diese Reichsgesetzgebung rechtlich auch nicht angewendet werden. Am härtesten jedoch traf den Akatholicismus die Verordnung, der zu Folge er aus Orten, welche zuvor Grenzplätze der kaiserlichen Herrschaft in Ungarn waren und desshalb ähnlich, wie die Articular-Orte, die Begünstigung protestantischer Glaubensübung genossen, jetzt weichen sollte, da sie dies zu sein aufhörten. Diese Massregel wurde auch da und dort in Vollzug gesetzt (in einzelnen Fällen noch in der Zeit Maria Theresia’s, z. B. 1744 in Raab) und erregte das tiefe Missvergnügen des früher der Regierung geneigten lutherischen und zumeist deutschen Bürgerthums.2) Es findet sich hier wieder eine der Hilfsquellen für die bevorstehende Insurrection Franz Rákóczy’s II. Nicht blos König Friedrich II. von Preussen, sondern auch noch oft die Geschichtsschreibung unserer Tage sucht das Haus Habsburg allein und ausschliesslich verantwortlich zu machen für Unbilden, welche die Evangelischen je zu erdulden hatten. Wenn es eines Gegenbeweises selbst in Ungarn bedürfte, so würden hiezu die Vorgänge auf dem Szécsényer Reichstage Rákóczy’s (1705) die besten Dienste leisten. Der Streit der Religionsparteien, namentlich um die Rückstellung der früher von den Protestanten *) *) Hase, a. a. 0. Seite 54, 55, 50. — Erst vor kurzer Zeit noch (in der Sitzung des ungarischen Oberhauses vom 8. October 1894) behauptete ein liberaler, dem Protestantismus gewiss nicht feindlicher Magnat, dass auch dieses Bekenntniss dort, wo es die Macht besitze, intolerant sei. 2) Vergl. Kr on es, Zur Geschichte Ungarns im Zeitalter Franz Eákóczy's II. (Archiv für österreichische Geschichte, 42. Band, Seite 267). Mittheilungen dos k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. IX. 14