Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)
Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn
208 K. i e n a s t. In das Jahr 1687 fällt der wichtige Reichstag von Pressburg, auf welchem Ungarn zum Erbreich erklärt und der Insur- rectionsartikel der goldenen Bulle Andreas II. vom Jahre 1222 aufgehoben wurde. In confessioneller Hinsicht wurden die Bestimmungen des letzten Oedenburger Reichstages bestätigt. Trotz dieser gesetzlichen Bestimmungen, welche die Grundlagen für die Stellung der Protestanten in Ungarn bis in die Zeit Kaiser Carl VI. hinein bilden, war die Tendenz des Kaisers Leopold I. sowohl, als der Regierung den Evangelischen nicht günstig; in dieser Zeit der steten Türkennoth, der französischen Verhetzungen, des unausgesetzten Rüstens des revolutionären Adels .betrachteten die leitenden Kreise die katholische Kirche in Ungarn als das sicherste, vielleicht einzige Mittel zur Erhaltung dieses Reiches. Der Unterstützung des katholischen Hochclerus, sowie der katholischen Magnaten ermangelten sie dabei auch nicht. In manchen Dingen ahmten die letzteren nur im Kleinen nach, was die protestantischen Fürsten Deutschlands längst in ihren Ländern im Grossen gethan hatten. Vielfach wurden den Andersgläubigen gewaltthätig Gotteshäuser, Pfarreien, Schulen und Stiftungen entzogen, sogar solche, die sie selbst gegründet und gebaut hatten. Die Andersgläubigen mussten der Geistlichkeit der herrschenden Confession den Zehent entrichten, wie heute noch die katholischen Irländer den protestantischen Bischöfen und Pfarrern; die Protestanten in Ungarn wurden gezwungen, den katholischen Gottesdienst zu besuchen, bei Processionen mitzuziehen, ihre Kinder in katholische Schulen zu schicken, sich bei Begräbnissen katholischer Geistlicher zu bedienen. Es wäre ebenso ungerecht, zu übersehen, dass nicht allein in Oesterreich und Ungarn die Protestanten bedrängt wurden (denn auch in Polen und Frankreich hatten sie manche Prüfungen zu bestehen), als es gestattet wäre, die Verfolgungen zu übersehen, die mit fanatischer Wuth die Neuerer lange Zeit hindurch in Deutschland und England gegen die Katholiken geübt hatten. Auf das Princip der Gewissensfreiheit beriefen sich die Protestanten überall nur dann, wenn sie in der Minorität waren. Als August der Starke 1697 Polens wegen den katholischen Glauben angenommen hatte und sich eine katholische Kirche baute, blieben die Glocken lange auf dem Boden liegen, weil die protestantischen