Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn

206 K i e n a s t. ebenso feindlich dem Calvinismus, wie der katholischen Kirche. Für Ungarn gewann übrigens der westphälische Friede nur in zweiter Linie Bedeutung, da es ja ausserhalb des deutschen Reichs­verbandes stand. Unter Leopold I. giengen die Protestanten Ungarns schwereren Zeiten entgegen. Dem gefährlichen Calvinismus stellten sich endlich auch die Vertreter der katholischen Inter­essen entgegen. Schreibt doch der venetianische Botschafter am Kaiserhofe im Jahre 1678: „Man kann nicht genug begreifen, welche Herrschaft über die Grenzen des Gewissens hinaus die Patres an diesem Hofe ausüben, da sie weitaus die Geltung der Minister überbieten.“ 1) Auch der brandenburgische Gesandte be­richtet wenige Jahre vorher nach Berlin, dass selbst die vor­nehmsten geheimen Räthe gegen die „unbesonnenen Händel der Pfaffen“ seien, dass diese aber alles durchsetzten.2) Schon 1659, auf dem Pressburger Reichstage brachten die Evangelischen wieder in üblicher Weise zahlreiche Beschwerden vor, noch mehr im Jahre 1662. Leopold I. gieng auf dieselben nicht ein und die Protestanten zogen sich nun vom Reichstage zurück, indem sie in einer Botschaft nach Wien die Beschlüsse desselben als unver­bindlich erklärten. Die religiöse Opposition wurde so allmählich zur politischen. Die Opposition konnte für ihre politischen Ziele auf die Theilnahme der missvergnügten Protestanten als solcher rechnen, wenn sie ihnen „freie Religionsübung“ in Aussicht stellte, die freilich in einer Zeit, in der die um dieses Schlagwortes willen in Deutsch­land geführten Kämpfe noch in verhältnissmässig frischer Er­innerung standen, eine ganz andere Bedeutung und andere Con- sequenzen hatte, als dies heute scheint. Solche Versprechungen aber hat in Ungarn kein Feind und kein Rebell gespart. Es war auch stets vom „Volke“ die Rede, unter dem aber der Adel nur sich selbst verstand und die vielbegehrten „Freiheiten“ waren auch nichts anderes, als Adelsfreiheiten und -Vorrechte, die dem armen Mann unzugänglich blieben. Ein grosser Adelskreis schloss sich, beseelt von Hass gegen die „deutsche“ und zugleich katholische Regierung der Ver- *) *) Citiert in "Kr on es, Handbucli der Geschichte Oesterreichs, III, 634. 2) Krauske, der grosse Kurfürst und die protestantischen Ungarn (Sybel’s historische Zeitschrift, 58. Band).

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