Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn

König Friedrich Ii. von Preussen und die Ungarn. 205 in Ungarn nach demselben insbesondere durch den Primas Pázmán eifrig fortgeführt wurden, erhielt doch der Protestantismus in Ungarn die umfassendsten Freiheiten im Linzer Frieden 1645. Dieser und der Wiener Friede sind die wichtigsten Erscheinungen im Entwicklungsgänge der ungarländischen Reformation; als sich das Los derselben später schlimmer gestaltete, geschah von ihren Anhängern immer und immer wieder die Berufung auf die Zuge­ständnisse von 1606 und 1645. Schon damals nahm der Wiener Hof eine Mittelstellung zwischen den beiden Glaubensparteien ein. Ferdinand III. liess sich f647 trotz des Widerspruches der Katholiken zur Ausant- wortung von 90 Gotteshäusern an die Evangelischen herbei und gewährte dem Akatholicismus in Bezug auf Selbstverwaltung, Gottesdienst, Schule und Begräbniss manche Bürgschaften. Aller­dings nur aus politischer Nothwendigkeit, denn die entscheidende Bedeutung, welche ein einheitlicher Glaube für die Macht und Grösse des Reiches haben musste, konnte am wenigsten im Hause Habsburg verkannt werden und der Wunsch, im eigenen Gebiete wenigstens den Kampf der damals noch unter religiösen Namen kämpfenden Parteien zu beseitigen, blieb ein natürliches Bestreben. Das Protestantenthum in Ungarn war bereits ein bedeutender Machtfactor und es wäre unklug gewesen, angesichts der Specu- lationen der siebenbürgischen Fürsten und des Auslandes auf die Unzufriedenheit der ungarischen Protestanten, ihren Forderungen unzugänglich zu bleiben. Manche übereilte oder fehlerhafte Schritte hatte die Regierung ohnehin verschuldet, denn auch die katholische Partei, auf die sich der Kaiser als die einzig mögliche stutzen musste, stellte Forderungen und bedurfte der Zugeständnisse. Toleranz lag weder im Wesen und Geiste der Katholiken, noch der Protestanten jener Zeit und dem Calvinerthum besonders wohnte ein tiefer und gefähr­licher Fanatismus inne. War doch auch der westphälische Friede gewiss nicht ein Friede der Herzen, nicht eine Erhebung über die Ursachen des ihm vorangegangenen dreissigjährigen Krieges, sondern nur ein Friede der Politik und ebenso starr wie vorher, hielt das Lutherthum auch nach demselben sich 'fiir alleinseligmachend,1) *) Hase (Protestant), Kirchengeschichte, 3. Theil, 2. Abtheilnng, 1. Hälfte, §§ 259, 253 (Leipzig 1892).

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