Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)
Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762
König Friedrich II. von Preossen und die Ungarn. 203 „Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die Feinde des Hauses Oesterreich, als sie nach dem Tode Kaiser Carls VI. zur De- müthigung, wenn nicht zum Sturze desselben ihre Plane entwarfen, mit ziemlicher Bestimmtheit darauf rechneten, es werde in dem umfangreichsten seiner Länder, in Ungarn, nur schwache, vielleicht gar keine Unterstützung finden. Diese Voraussetzung wurde jedoch wenigstens nicht in dem Masse erfüllt, in welchem sie gemacht worden sein mochte.“ *) Seit Ungarn in den Händen der Habsburger war, haben es zu verschiedenen Malen auswärtige Mächte in ihr Interesse zu ziehen versucht. Da es immer ehrgeizige Männer gab, denen die Erreichung ihrer eigennützigen Absichten höher stand, als das Wohl des Vaterlandes und da die Ungarn sich jederzeit durch das Schlagwort von der Gefährdung der nationalen Freiheiten durch die „deutsche Herrschaft“ der Habsburger leicht haben hinreissen lassen, so war es geschickten Diplomaten nicht allzu schwer, dem österreichischen Herrscherhause immer wieder Feinde in Ungarn zu erwecken. Seitdem die Reformation in Ungarn Eingang gefunden, trat zu den nationalen Motiven auch noch religiöse Verhetzung, durch weiche man ebenso, wie vermittelst jener die Geister vom Auslande her lenken konnte, obgleich es oft genug nicht einmal des Anstosses von Aussen besonders bedurfte. Die Beziehungen Ungarns zum Auslande sind also zweierlei Natur: politischer und religiöser. Politische Beziehungen zu Ungarn haben vorzugsweise die Türken und die Franzosen unterhalten; hauptsächlich religiöse Grundlagen hatten die Beziehungen Ungarns *) Arneth, Maria Theresia, I, 257.