Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberstlieutenant Hausenblas: Oesterreich im Kriege gegen die französische Revolution 1792 (Fortsetzung) - Hauptmann Christen: Die Ereignisse bis zum Schlusse des Feldzuges - Herzog Alberts Unternehmung auf Lille

Oesterreich im Kriege gegen die französische Revolution 1792. 135 Obzwar die Umgebung von Lille für den beabsichtigten Angriff schon wiederholt recognosciert worden war, durch eigens hiezu ausgesandte Detachements, Ingenieur- und Artillerie-Officiere, so vergiengen doch noch weitere acht Tage mit neuerlichen Recog- noscierungen, schliesslich durch Genie-Oberstlieutenant de Cha- steler, durch Generalquartiermeister Oberst von Lindenau persön­lich, da die vorhergegangenen Recognoscierungen als „durchaus oberflächlich“ verurtheilt wurden — und mit endgiltigen Vor­bereitungen ; und erst am 24. September rückte das Angriffs-Corps von Tournay gegen Lille vor. d) Anmarsch auf Lille. Lille,1) an dem die Schelde und Lys verbindenden Deule- Canal in einem sehr fruchtbaren Becken gelegen, durch Lage, Zahl (damals 60.000), Intelligenz und Reichthum seiner Bevöl­kerung Hauptstadt Nordfrankreichs und Verkehrsmittelpunkt zwischen Inner-Frankreich, England, Holland, Belgien und Deutsch­land; durch seine Lage zum Haupt-Depotplatz einer im Norden Frankreichs operierenden Armee und der benachbarten kleinen Festungen ausserordentlich geeignet, schon 1054 befestigt, wurde bald nach seiner Besitzergreifung durch die Franzosen (1667) nach allen Regeln und mit allen Mitteln der Kunst Vauban’s unter persönlicher Leitung dieses Meisters zu einer „unbezwing- lichen“ Festung umgebaut. Die durch die Belagerung 1708 verursachten Schäden waren bald wieder ausgebessert. 1792 bestand die Hauptumfassung aus 15 meist bastionierten Fronten mit den damals üblichen Aussenwerken, war überdies durch vier Hornwerke (je eines an den beiden Ecken der schmalen Südseite, je eines in der Mitte und am Nordende der Ostseite) und die im Nordwestende liegende Citadelle, ein regelmässiges bastioniertes Fünfeck, verstärkt. Hoher Aufzug, breite Gräben, bis zur Brustwehrkrone gemauerte Escarpen brachten Vauban’sche Bauzeit und Bauweise deutlich zur Geltung. Ein ganzes Netz wohlangebrachter Gräben und Dämme mit vielen Schleusen, durch eigens hiezu in Erde erbaute, vorgeschobene Werke (kieseken, , *) Die Beschreibung dieses Platzes und die auf die Belagerung 1708 bezug­nehmenden Daten sind entnommen den Werken: „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen“ II. Serie, I. Band; Derode „Histoire de Lille et de la Flandre wallonne.“

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