Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Neue Folge, 1889)

Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution im Beginn des Jahres 1792. Als Einleitung zur Schilderung der Kriege Oesterreichs gegen die französische Revolution. Mit Benützung der Vorstudien zu dem in Bearbeitung befindlichen historischen Werke über Erzherzog Carl von Oberstlieutenant M. E. von Angeli

80 Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution 1792. Verwaltungen während des abgelaufenen Jahrhunderts wenigstens im Princip zur Schau trugen. Jetzt aber trat die französische Heeresleitung mit einem entschiedenen Schritte über dieses Princip hinaus. Es war kein bewusst acceptirtes neues System, wenn die französischen Heere sich plötzlich ganz auf die Requisition stützten, sondern nur ein augenblickliches Gebot der Noth, dem man folgte, dessen Mängel man mit bitteren Erfahrungen kennen lernte, dessen ausserordentliche Vortheile und Elasticität man aber nicht weniger bald begriff. Was Zwang der Noth gewesen, wurde allmälig zum gern adoptirten, ausgebildeten System. Für den Krieg, den der Convent, getragen von dem immer steigenden, revolutionären Sturme, mit einer Waghalsigkeit ohne Gleichen gegen halb Europa unternahm, war gar nichts vorbereitet. Die Festungen waren schlecht armirt, kein Magazin gefüllt, die Aufmarschräume mit nichts versehen, man hatte nichts als die disciplines gewordenen alten königlichen Regimenter, unvollständig an Zahl und Ausrüstung, ihrer besten Officiere entbehrend, die immermehr, den Boden des unterwühlten Vaterlandes meidend, sich bei den Prinzen des königlichen Hauses im Ausland zur Aufnahme des Entscheidungskampfes für das königliche Recht zu sammeln strebten und die unlenkbar gewordenen aufgehetzten Truppen verhessen. Diesen Truppen vermochte man allerdings die Massenaufgebote der Nationalbewaffnung beizufügen. Noch warf der Terreur erst seinen Schatten voraus, aber die Erhitzung der Gemüther, die allgemeine Auflösung, die erwachenden rohen In- stincte, wie der Fanatismus der Idee sicherten endlich den Zulauf; an Menschenmassen fehlte es nicht, dafür um so mehr an Brod und Kriegsbedarf. Auf französischem Boden reichte noch der Wille des Convents aus, um die an die Grenze ziehenden Co- lonnen beim Einwohner oder mit patriotischen Gaben zu ver­pflegen, eine Art Landeslieferung mit der späten Aussicht auf Bezahlung und mit gelegentlich erheblichem Gewinn für kühne Lieferanten, die nur eine entschieden republikanische Gesinnung brauchten, um ihre Zwecke sicher zu erreichen. Mit dem Ueber- tritt über die Grenze aber und manchmal auch schon vorher wurde die Landeslieferung zum einfachen Raub. Man nahm ohne Inter­vention df.r Behörde, was sich fand, Lebensmittel, Lagerbedürf­nisse, Pferde, Fuhrwerk. Die französische Armee hatte wenig

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