Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Neue Folge, 1889)
Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution im Beginn des Jahres 1792. Als Einleitung zur Schilderung der Kriege Oesterreichs gegen die französische Revolution. Mit Benützung der Vorstudien zu dem in Bearbeitung befindlichen historischen Werke über Erzherzog Carl von Oberstlieutenant M. E. von Angeli
Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution 1792. 89 »Geschicklichkeit im Marschiren, die Hurtigkeit im Chargiren sind die vorzüglichsten Stücke einer Infanterie. Das Augenmass, die Observirung der gehörigen Distanz zwischen den Abtheilungen lässt erkennen, ob bei einem Regimente ein Officiers-Corps sich befindet, das in der That so genannt werden kann und soll.«1) Diese der Zeit nach weit auseinander liegenden, aber dem inneren Gehalte nach harmonisch sich ergänzenden Aussprüche militärischer Autoritäten lassen das eigentliche Wesen der damaligen Armee hervortreten. Die elementartaktischen Vorschriften für die kaiserliche Armee basirten auf den Erfahrungen aus dem siebenjährigen Kriege, welche 1769 durch das »Exercir- Reglement für die sämmtliche k. k. Infanterie« zur Norm erhoben wurden. Aber indem man die Erfolge Friedrich’s II. weit mehr dem formellen Theile seiner Taktik, als dem Geiste zuschrieb, den er der todten Form eingehaucht, gelangte man eben zu dem Uebermäss künstlicher Bewegungen und erblickte in der Schematisirung aller taktischen Regeln den vollwichtigen Ersatz für den Mangel an Selbstständigkeit der Truppe und ihrer Unterführer. Nichts durfte ohne Commando geschehen; bei der Infanterie waren die Unterabtheilungs-Commandanten strenge auf bestimmte Plätze gebannt, wo sie nur die Ausführung gegebener Befehle zu überwachen hatten. Während des Gefechtes hatte der Oberst mit dem ersten Major und dem Regiments-Adjutanten seinen Platz hinter der Fahne des Leib - Bataillons; der Oberstlieutenant und der zweite Major hinter jener des Obersten-Bataillons. Kein Re- giments-Commandant durfte ohne Befehl der Generalität eine Bewegung mit seinem Regimente machen, es sei denn, dass in ausserordentlichen Fällen eben kein General zur Stelle gewesen wäre. Die Starrheit der Form nahm nach unten zu; Gleichmässigkeit der Bewegung, scharfe Richtung und Alignement der meist überlangen Fronten, gleicher Schritt und Takt und genaues Einhalten der regiemen tarén Normen wurde vor allem Anderen von der Truppe gefordert. Gemessenen Schrittes, unter klingendem Spiele wurde gegen den Feind vorgerückt, bis es zum »Chargiren« kam. Da war dann wieder die gleichmässige Abgabe des Feuers ') Mil.-wiss. Mem.: K. A. Verordnungen-Extrat 1767—1785.