Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (Neue Folge, 1887)
Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. Eine Selbstbiographie
36 Erinnerungen aus dem Leben des PM. Grafen Radetzky. FML. Chasteler, dem die Einrichtung des Hauptquartiers missfiel, eilte dem FM. Suworow entgegen, um ihn mit der’ Lage der Armee und den Verhältnissen bekannt zu machen. Der von Suworow ertheilte Armee-Befehl entfaltete seinen Operationsplan, welcher im Wesentlichen nichts Anderes enthielt als: Angreifen, die Glieder und Reihen des Feindes durchbrechen, umkehren und den Gegner dann tödten. Er bestimmte den russischen General Fürsten Bagration mit zwei Bataillonen Russen dazu, die österreichischen Generale und Stabsofficiere praktisch hierin zu belehren. Dieser Tagesbefehl, einer siegreichen, selbstbewussten Armee gegenüber, wirkte nachtheilig auf den Geist der Truppen. Die Generale, Stabs- und Oberofficiere waren indignirt. Das persönliche Auftreten des Feldmarschalls und sein Erscheinen in einem offenen, leinenen Aermelleibel mit derlei Hosen, bei den Knicen die Knüpfe nicht zugemacht, eine lederne Kappe, dem Helm ähnlich, auf dem Kopfe, auf einem schlechten, mit der Trense be- zäumten Kosakenpferde und einer grünen, mit Holz-Borten besetzten Echabracque, den Kantschu in der Hand, gleichgiltig, fast misstrauend möchte ich sagen, gegen Generale und Officiere, war diese kleine, ungestaltete Figur nicht nur nicht von einem imponirenden, sondern fast lächerlichen Anblicke; mit einem Wort, die Armee fand sich gedemüthigt, gekränkt, das Vertrauen auf die Führung verschwand und eine auffallende Spaltung zwischen den alliirten Truppen war die Folge, die auch auf das Hauptquartier und unterwarf (1783) die nogaischen Tataren der russischen Botmässigkeit. Er hatte grossen Antheil an den Siegen der verbündeten österreichisch-russischen Truppen über die Türken (1787—1789), Kaiser Josef II. erhob ihn dafür in den deutschen Reichsgrafenstand, und Katharina II. ernannte ihn zum russischen Grafen mit dem Beinamen Rimnikski. Nach dem Frieden ward Suworow Chef des Gouvernements von Jekaterinoslaw, der Krim und der neu erworbenen Gebiete an der Mündung des Dnjestr. 1794 erstürmte er Praga, ward hiefür Feldmarschall und übernahm in dieser Eigenschaft den Oberbefehl über die öster- reichisch-russische Armee in Italien. Bei seiner Rückkehr nach Russland ward er in den Fürstenstand und zur Würde eines Generalissimus erhoben. Suworow starb in St. Petersburg am 18. Mai 1800. Die Abneigung gegen diesen berühmten und hervorragenden russischen Feldherrn, die FM. Radetzky in so auffallender Weise zeigt, wurzelt noch in den tiefgehenden Differenzen und Reibungen, welche in der alliirten Armee in Italien 1799 bestanden, und gibt, wenn auch vielleicht manchmal zu sehr betont, ein lebhaftes Bild der damals herrschenden Stimmung.