Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1886)
Über den Gebirsgskrieg (Aus den "Mémoires" des k. k. Kriegs-Archivs) Geschrieben im Jahre 1800 von Generalstabs-Hauptmann (späteren General-Major) Johann Mayer Edler von Heldensfeld
73 Über den Gebirgskrieg. (Aus den „Memoires“ des k. k. Kriegs-Archivs,) 'Geschrieben im Jahre 1800 vom Generalstabs-Hauptmann (spätei-en General-Major) Johann Mayer Edler von Heldensfeld *). Übersichtliche Darstellung des Gebirgskrieges. Es ist hinlänglich erwiesen, dass keine Kriegsart beschwerlicher ist und mehr Terrainkenntniss, Vorsicht und Erfahrung erfordert, als der Gebirgskrieg; dass aber auch keine Kriegsart reichhaltiger an glänzenden militärischen Begebenheiten und an die Bewunderung aller denkenden Kriegsmänner hervorrufenden Ereignissen ist, wie eben dieser Krieg. Mit Recht kann man den Gebirgskrieg als den Probestein fűiden Feldherrn und als Schule für den jungen Krieger betrachten; denn in keinem anderen Kriege werden die Charakterfestigkeit, die militärischen Kenntnisse und Talente des Feldherrn, sowie sein zweckentsprechender Entschluss in den verschiedensten Lagen mehr auf die Probe gestellt, und in keinem anderen Kriege werden die Fähigkeiten und der kriegerische Ideengang eines jungen Soldaten mehr entwickelt, als in diesem. Alle im Kriege in der Ebene erforderlichen Eigenschaften und Grundsätze müssen im Gebirgskriege in mehr als doppeltem Masse vorhanden sein. In ebenen Gegenden übersieht ein militärisches Auge mit einigen Blicken die Vor- und Nachtheile des Terrains und wird hiernach die betreffenden Waffengattungen verwenden. Der Commandant überblickt hier leichter seine Truppen und erräth leichter des Feindes Vorhaben. Bei einem Rückzuge darf er über die einzuschlagenden Strassen und AVege nicht verlegen sein, ja er findet noch Mittel, seinen Endzweck, *) Anmerkung: Diese Betrachtungen sind das Ergebniss einer reichen Erfahrung im Gebirgskriege; sie wurden im frischen Andenken au das kurz vorher Erlebte niedergeschrieben, denn Mayer war als Generalstabs-Hauptmann im Hauptquartiere des FML. Hotze während des Feldzuges 1799 in Vorarlberg und in der Schweiz eingetheilt (siehe „Mittheilungen des Kriegs-Archivs“, Jahrgang 1884, I. Heft, Seite 88) und scheint das besondere Vertrauen seines Corps-Commandanten besessen zu haben Daher auch die Lebhaftigkeit, ja das oft Drastische der Darstellung, die Frische und die praktische Richtung der Gedanken, von welchen die Meisten noch heute volle Giltigkeit besitzen.