Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)
Major Wiener: Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr. Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763-1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreichs gegen die französische Revolution (Schluss)
IX. Der Revolutionskrieg in Belgien (1787—1790). 85 wurde. An diese Verfügung schlossen sich die Verordnungen betreff der Justizpflege, Steuereinhebung und auch einige Erleichterungen der Steuern. Der Eindruck des erstgenannten Edictes war ein gewaltiger; es trat Ruhe ein. Das entschlossene Vorgehen der Regierung schien zu wirken. General d’Alton bezeichnete den 18. Juni als einen glücklichen Tag für das Haus Österreich und den Kaiser nunmehr als absoluten Herrn über die Niederlande. Kaiser Josef nahm die Glückwünsche des Generals mit Vergnügen entgegen, blickte aber wohl tiefer, als er den Wunsch aussprach, dass die Ruhe auch erhalten bleiben möge. Und das Misstrauen des Monarchen war begründet. In jenem Juni aber hatte auch der dritte Stand in Frankreich gesiegt und schon am 24. Juli musste d’Alton seine Voraussagungen in einem Berichte an den Kaiser modificiren ..............,et je suis faché de devoir annoncer qu e l’ctat le plus violent a pris place de ce calme trompeur. L’exemple des Francais a fait éclater par-tout le feu qui couvait sous la cendre .............etc. etc.“ Da s gewaltsame Verfahren der Regierung gegen den Erzbischof von Mecheln, Cardinal Frankenberg, welcher die Lehren des Staats- Seminars für nicht orthodox erklärte, liess die Geistlichkeit energischer die Auflehnung der Gemüther betreiben, — „les pretres remuent ciel et terre pour échauffer les esprits“ *). Der Ausbruch der Revolution im benachbarten Frankreich führte verstärkten Zündstoff in die Niederlande, man sprach davon, die Vorgänge von Paris nachzuahmen. In Namur, Löwen, Diest und Tirlemont brachen zn gleicher Zeit Unruhen aus, bei deren Dämpfung viel Blut floss. Diese Vorgänge riefen auch gegen Ende Juli in Brüssel momentane Gährung hervor, die Garnison stand unter den Waffen. D’Alton, anstatt den Augenblick zu benützen und die Entwaffnung der Stadt durchzuführen, unterliess es aus Geringschätzung seiner Gegner. Es kam zur Verhaftung einiger übermüthigen jungen Leute, die das Militär beschimpft hatten, und welche man zur Strafe in die Armee in Ungarn zu stecken drohte. Diese Drohung rief eine ungeheure Erbitterung und Angst hervor; viele nahmen zur Auswanderung ihre Zuflucht. Die Flüchtigen rotteten sich an der Grenze zusammen, Deserteure der zumeist einheimischen Regimenter gesellten sich dazu. Die Rebellion nahm eine greifbare Gestalt an. Dem Kaiser missfiel die berührte Drohung d’Alton’s sehr, „da der Dienst nicht als eine Strafe für die Schuldigen angesehen werden soll und hiedurch das Vorurtheil bei den Wallonen, das so schon eingewurzelt genug ist, noch mehr bestärkt wird, nämlich Deutschland und Ungarn als Sibirien anzusehen“ ‘). *) *) Schreiben des Kaisers an d’Alton, 10. August 1789. „Briefwechsel etc.“ Leipzig 1791.