Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)
Major Wiener: Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr. Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763-1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreichs gegen die französische Revolution (Schluss)
86 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. Das Edict vom 18. Juni entschied den Ausbruch der Revolution. Der Kaiser betrachtete dasselbe später als die Hauptursache des unglücklichen Verlaufes der folgenden Ereignisse. In einem Briefe an seine Schwester, Erzherzogin Marie Christine, ddo. 28. December 1789 ') klagt der Kaiser später, dass man ihm, während er schwer krank in Laxenburg lag, das Concept des bezüglichen Edictes mit der Versicherung eingesendet habe, dass dasselbe allen Wirren ein Ende zu bereiten im Stande sei, dass er gleich darauf die Herstellung der Grundverfassung anbefohlen habe, aber der Befehl nicht ausgeführt worden sei, und dass man zu vielen Vorgängen weder seine Zustimmung eingeholt, noch überhaupt ihm davon Meldung erstattet habe. Die Lage in den niederländischen Provinzen wurde mit jedem Tage kritischer. Eine Verstärkung an Truppen aus der Monarchie konnte nicht nach den Niederlanden gesendet werden; der von Choczim bis an die Adria sich erstreckende Türkenkrieg, die Nothwendigkeit, Böhmen und Mähren gesichert zu halten, machte jede Absendung von Truppen unmöglich. Übrigens waren Trauttmansdorff und d’Alton auch hierüber verschiedener Ansicht; Ersterer hielt eine Verstärkung für dringend geboten, Letzterer betrachtete im Monate August noch die vorhandenen Truppen für alle Eventualitäten genügend2) und beanspruchte nur eine Verstärkung an Reiterei. Die Nachbarschaft Frankreichs, die Intriguen anderer auswärtiger Mächte, der Anmarsch preussischer Truppen in das niederländische Reichsland, das Bisthum Lüttich, unter dem Vorwände einer vom Reichskammergericht angeordneten Execution, erschwerte die Lage. Der Kaiser theilte zwar die weitgehenden Befürchtungen des Ministers Trauttmansdorff bezüglich der geheimen Einwirkungen Preussens und der maritimen Mächte England und Holland nicht; er glaubte wenigstens nur in dem Falle eine Einmischung befürchten zu müssen, wenn die Erfolge der Aufständischen den Vorwand dazu und die Hoffnung geben würden, für sich daraus Vortheil zu ziehen. Es handelte sich demnach vor Allem darum, die Ausbreitung des Übels möglichst zu verhindern und dasselbe bald zu unterdrücken. Der seinerzeit vor der Verhaftung entflohene Brüsseler Advocat Heinrich van der Noot, in politischen Fragen von einem wegen seines anstössigen Lebenswandels entlassenen Geistlichen, van Eupen, geleitet, und der Advocat Vonck wurden nunmehr die Häupter der Rebellion. Van der Noot, wie Vonck, waren Republikaner, wenn sie auch dieses Ziel auf verschiedenem Wege erstrebten. In ihrem ersten Ziele, Vernichtung der österreichischen Herrschaft, waren sie einig. Nach seiner Flucht hatte van der Noot in der Eigenschaft als bevollmächtigter Agent des Brabanter Volkes bei den fremden Cabi*) K. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv. 2) Bericht an den Kaiser vom 13. August 1789. „Mémoires pour servir. . . .