Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)

Major Wiener: Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr. Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763-1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreichs gegen die französische Revolution (Schluss)

IX. Der Revolutionskrieg in Belgien (1787—1790). 83 General d’Alton unter Ernennung zum Feldzeugmeister das Commando über die Truppen in den Niederlanden übertragen wurde. Die Ereignisse erforderten Männer von eiserner Tbat- und Willens­kraft. Mehr denn je war der Kaiser wieder zu entschiedenem Handeln entschlossen und hielt jede Nachsicht für eine verderbliche Schwäche. Trauttmansdorff war im Innern zur Mässigung geneigt; er hoffte durch Güte und Überredung, durch ein diplomatisches Verfahren die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. General d’Alton war von festem Charakter und jedem die Autorität des Monarchen schädigenden ver­söhnlichen Ausgleiche abgeneigt; der Weg der Strenge, die An­wendung von Gewalt, erschienen ihm als die geeignetsten Mittel. Das Wirken zweier in ihren Anschauungen so grundverschiedenen Charak­tere konnte in einer Zeit, wo es vor Allem auf ein consequentes und einträchtiges Handeln ankam, nicht von Segen werden und musste nothwendigerweise zu schädlichen Reibungen führen. Die von beiden Männern zur Rechtfertigung ihres Vorgehens später heraus­gegebenen Memoiren beweisen und erklären zur Genüge die Zwie­tracht, welche zwischen ihnen geherrscht hat, und wie unglück­bringend dieselbe für des Kaisers Sache geworden ist. Es begann nun vorerst ein System von Strenge. Das Edict betreffs Organisirung der Seminarien wurde erneuert; den Zugeständ­nissen des General Murray vom 21. September wurde jede Rück­wirkung auf frühere Zeitepochen abgesprochen. Der allgemeine Wider­stand, welchen namentlich die letztere Erklärung hervorrief, ver- anlasste den General D’Alton zu besonderen militärischen Vorkehrungen, wobei es am 22. Januar 1788 in den Strassen von Brüssel zur An­wendung der Feuerwaffen kam. Der General Hess das Rathhaus mit Gewalt nehmen. Es trat augenblickliche Ruhe ein. Kaiser Josef versprach sich auf Grund der Berichte d’Alton’s die beste Wirkung von dem gegebenen Beispiele von Ernst zur Steuerung der übermüthigen Ausschreitungen des Volkes *)• Unter diesen Verhältnissen kehrten die Statthalter, Herzog Albert und seine Gemahlin, nach Brüssel zurück (29. Januar 1788). Die Führung der Regierungsgeschäfte blieb jedoch ganz in den Händen des Ministers Trauttmansdorff. Die Fälle der Anwendung von Waffengewalt wiederholten sich, als die Beschlüsse betreff des General-Seminars gewaltsam zur Durch­führung gelangen sollten. Der Schrecken wurde allgemein und die Emigration begann, als die Regierung zur Verhaftung der feindselig gesinnten Personen schritt. Unter den Flüchtlingen befand sich auch ein Brüsseler Advocat und Hauptschreier, van der Noot, später das nominelle Haupt der Revolution. Er gehörte, durchaus republikanisch *) Schreiben des Kaisers an d’Alton, 30. Januar 1788. „Briefwechsel zwischen Josef II. und dem General d’Alton“, Leipzig 1791. G*

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