Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)
Major Wiener: Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr. Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763-1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreichs gegen die französische Revolution (Schluss)
IX. Der Revolutionskrieg in Belgien (1787—1790). 81 Mittheilung gemacht werden, mit der Versicherung, dass damit keineswegs ein Angriff auf die Constitution beabsichtigt werde. Die nach des Kaisers Meinung seither zum Gespötte Europas in vollkommener Unthätigkeit gehaltene militärische Macht müsse zur Versehung der Sicherheitsund Polizeidienste herangezogen werden, damit auch die Bürger und Handwerker, welche mehr dem Soldatenspielen, als ihrem Beruf und Gewerbe nachgingen, zu ihrer Thätigkeit zurückgeführt würden *). Auch für den Fall des beabsichtigten Eintreffens des Kaisers in den Niederlanden war die Zusammenziehung der Truppen nöthig geworden, denn er gedachte keineswegs Zuschauer von Zusammenrottungen zu sein, noch wollte er sein Haus von einer Volksmasse umringt sehen, ohne Mittel der Aufrechthaltung der Ordnung bei der Hand zu haben* 2). Die Berufung der Statthalter nach Wien und die Übertragung der Regierungsgewalt an Murray rief bei jenem Theile der Bevölkerung, welcher von einem allgemeinen Aufstand die Förderung seiner Interessen erwartete, Bestürzung, die verlangte Entsendung von Deputirten nach Wien, Befürchtungen aller Art hervor. Erst am 19. Juli konnten die Statthalter abreisen; die 32 Deputirten trafen am 12. August in Wien ein. Mit einigen von Murray gemachten, später vom Kaiser missbilligten Concessionen war die Zustimmung der Stände erlangt worden. Die Dinge waren übrigens bereits bis zu einem Punkte gediehen, wo der Kaiser Versicherungen der Loyalität und Treue keinen Glauben mehr schenken wollte. Leere Worte konnten ihm nicht genügen, er forderte Beweise von Treue und Ei’gebenheit durch Handlungen ; verlangte, dass vor Allem sein Wille durchgeführt werde, den der General-Gouverneur den Ständen mittheilen werde. Die weiteren Audienzen erfüllten die belgischen Abgesandten dagegen mit vielen Hoffnungen. Eine Wiederherstellung aller Einrichtungen, wie sie vor dem Beginne der Unruhen gewesen, hatte der Kaiser als die Basis für die weiteren Verhandlungen bezeichnet und die Deputirten glaubten darin ein grosses Zugeständniss zu erblicken. Kaiser Josef schreibt über die Resultate der belgischen Deputirten an Katharina II. von Russland am 30. August 1787 3): „Die Abgeordneten, die in Wien waren, sind wieder abgereist, befriedigt durch die guten Gründe, die ich ihnen mitgetheilt habe und bei welchen ich als Vorbedingung gefordert habe, dass alles wieder auf den Fuss gestellt werde, auf dem es stand, bevor die Unruhen begannen.“ Die Belgier fassten diesen Zeitpunkt als jenen vor Einführung der verhassten Reformen auf. Der Kaiser wollte den 1. April 1787, also die ') Schreiben an Murray, ohne Datum, 1787. K. k. Haus-, Hof- und StaatsArchiv. 2) Schreiben an Murray, 1787. IC. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv. 3) Arneth, Josef II. und Katharina etc. Ihr Briefwechsel. Wien 1869. Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs. 1885. 6