Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)

Major Wiener: Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr. Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763-1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreichs gegen die französische Revolution (Schluss)

*) Josef an Kaunitz und Belgiojoso, de dato Cherson, 16. Juni und Lemberg am 23. Juni 1787. K. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv. *) De dato Lemberg am 24. Juni 1787. K. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv. Nachgiebigkeit daher für fehlerhaft und war fest entschlossen, die Durchführung seiner guten Absichten um jeden Preis zu erzwingen '). Aber zu solcher Entschiedenheit konnten sich die Personen an der Spitze der Regierung in den Niederlanden keineswegs aufraffen. Dort herrschte schon Anfangs Juni eine trostlose Auffassung der Situation; man erwartete täglich den Ausbruch einer allgemeinen Revolution, die man von langer Hand vorbereitet glaubte, man scheute sich, die im Lande zerstreuten Truppen an den wichtigsten Punkten zusammenzu­ziehen, um das Volk nicht zu reizen, und hielt die Provinzen für die Monarchie verloren, wenn der Kaiser die Ratification der Zugeständ­nisse vom 30. Mai nicht rasch und vorbehaltlos bewirke. Kaiser Josef beschleunigte seine Rückreise von Sebastopol und gab während der­selben in verschiedenen Schreiben an den Staatskanzler seiner Er­bitterung und Entrüstung über die Schwäche der niederländischen Regierung und der halben Zustimmung des Fürsten Kaunitz in heftigen Worten Ausdruck2). Am 30. Juni traf der Kaiser in Wien ein, und nun musste es zu einer Entscheidung kommen. Im Bewusstsein der redlichsten Absichten, blieb Kaiser Josef seinem gefassten kräftigen Entschlüsse treu; er war allein auf seine Kraft gewiesen, denn mit seinem nächsten Rathgeber, dem Staatskanzler, befand er sich in einer nicht zu beseitigenden Meinungsverschiedenheit über die zu ergreifen­den Massnahmen. In einem Handschreiben an den Fürsten Kaunitz und in einem Briefe an seinen Bruder Erzherzog Leopold, Grossherzog von Toscana, de dato 6. Juli, spricht der Kaiser seine Ansicht über die Bewegung in den Niederlanden klar aus. In dem ersteren bezeichnet er die Repräsentation der Stände von Brabant als ein langes, im Grunde nichtssagendes, Impertinenz und Meuterei auf die Spitze treibendes Possenspiel, dem um jeden Preis ein Ende gemacht werden müsse. Nach der Ansicht des Kaisers hatten Statthalter, Minister und der gesammte Rath durch Vernachlässigung aller ernstlichen Vorkehrungen und der nothwendigsten militärischen Dispositionen, absichtlich oder aus Furcht es verschuldet, dass es sich nunmehr um die Rettung der Ehre und der Truppe handelte. Die Vorkehrungen zur Zusammen­ziehung eines nach den Niederlanden in Marsch zu setzenden Armee- Corps an den Grenzen wurde gleichzeitig anbefohlen. Von einer geplanten Verlegung des Sitzes der Regierung von Brüssel nach Gent, dann der Universität von Löwen nach Ath oder Mecheln und anderen strafenden Dispositionen musste der enormen Kosten halber abgegangen werden. *)

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