Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)
Hauptmann Duncker: Die Invasion Schlesiens durch die königlich preussischen Truppen im Monate December 1740
Die Invasion Schlesiens durch die k. preuss. Truppen im Monate December 1740. (J5 ein Fünftel jener, die österreichischen Truppen, beispielsweise von Waitzen an der Donau bis dorthin zurückzulegen gehabt hätten. Von Berlin nach Breslau sind circa 40 Meilen, von Waitzen an die preussisch-schlesische Grenze 80 Meilen. Rechtzeitig, zur Verhinderung des Einmarsches, von Mitte November bis in die zweite Hälfte December Truppen aus Ungarn nach Schlesien, und zwar bis an die bedrohte Grenze zu disponiren, war also unmöglich. Es bleibt noch die Frage offen, ob im Lande selbst nicht Mehreres und Anderes zur Verthei- digung hätte geschehen können, und in dieser Hinsicht zeigen sich folgenschwere Versäumnisse. Breslau durfte nicht in des Königs Hand fallen. Diese Stadt war zu Anfang des Krieges, da es eigentlich keine österreichische Armee im Felde gab, das Object, welches an die Stelle des fehlenden strategischen getreten war. Es musste geschützt werden. Dazu hätte man keine langen Verhandlungen, sondern nur eines energischen Entschlusses und Befehles bedurft: Browne gehörte mit allen seinen Truppen in die Festung u n d Hauptstadt Breslau, dessen Werke noch leidlich im Stande, das auch mit Geschütz ziemlich dotirt war. Die Belagerung der Stadt hätte der König wohl kaum versucht, denn dazu fehlte ihm der Belagerungspark, der zu Winterzeit nicht mehr heranzubringen war. Dann wäre unter der Leitung erfahrener Officiere, mit Beigabe kleiner Truppen - Detachements, der kleine Krieg sogleich zu organi siren gewesen. Die Erfahrung der ersten Monate des Jahres 1741 hat gezeigt, wie unbequem der preussischen Armee der von den wenigen österreichischen Truppen lebhaft unterhaltene kleine Krieg später geworden ist. Inzwischen, denn es galt vor Allem, Zeit zu gewinnen, hätten Anfang Januar Truppenverstärkungen, und zwar in ausreichenderem Masse, als dies factisch der Fall war, in Schlesien eintreffen können. Mit Breslau lieferte man dem Könige die ganze politische Verwaltung des Landes aus, man erschloss ihm die Hilfsquellen desselben, schaffte ihm einen wichtigen Stützpunkt für seine weiteren Operationen und gewährte ihm vor Allem einen leichten, aber blendenden Erfolg, der die Stimmung im ganzen Lande beeinflussen musste und die Sache der Königin auf das Äusserste zu schädigen geeignet war. Das rechtzeitige Erscheinen der Truppen war, wie gezeigt worden, vermöge der politischen Constellation und der weiten Strecken, welche diese zurücklegen mussten, allerdings nicht möglich; ein früheres Eintreffen, als in den meisten Fällen erfolgte, und damit auch günstigere militärische Verhältnisse für Schlesien, hätten durch energische Initiative und durch zeitgerecht ertheilte Befehle, die ja factisch erst in der ersten Hälfte December erlassen wurden, allerdings herbeigeführt werden können. Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs. 1885. 5