Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)

Hauptmann Duncker: Die Invasion Schlesiens durch die königlich preussischen Truppen im Monate December 1740

04 Die Invasion Schlesiens durch die k. preuss. Truppen im Monate December 1740. Hier drängt sich nun unwillkürlich die Frage auf, oh es denn nicht möglich gewesen wäre, schon im Monate December eine zahl­reichere Truppenmacht dem commandirenden österreichischen General in Schlesien zur Verfügung zu stellen? Diese Frage kann bei gewissenhafter und vorurteilsfreier Er­wägung aller Umsände nur mit „Nein“ beantwortet werden, und zwar aus folgenden Gründen: König Friedrich rüstet und vermehrt sein Heer gleich nach seinem Regierungsantritte; das weiss man in Wien, seine Pläne glaubt man aber auf Jülich und Berg gerichtet, hat daher noch keinen Grund, Schlesiens wegen besorgt zu sein. Nun trat der unerwartete Tod des Kaisers ein. Der Resident in Berlin begann bereits am 1. November, einige Tage vor der preussischen Mobilisirung (7. bis 8. November), von Absichten auf Schlesien zu sprechen. Das erste Schreiben Demeradt’s, das dieser Anzeichen, noch schüchtern, erwähnt, langte am 7. November (also am Tage, wo die preussische Mobilisirung beginnt) in Wien an. Wenn selbst in jenem Augenblicke der Befehl zur Mobilmachung und Inmarschsetzung genügender Kräfte nach Ungarn, denn nur dort waren solche disponibel *), expedirt worden wäre, so hätten diese Truppen den Befehl am 11. November erhalten. Nimmt man z. B. Waitzen als Ausgangspunkt der Märsche an, denn im nördlichen Theile von Ungarn befand sich nur das nach Tirol bestimmte Regiment Königsegg, so hat man von dort nach Breslau circa 60 Meilen. Die Truppen, welche sich im vollständigen Friedenszustande befanden, hätten — nach den bestehenden Einrichtungen — vor Ende des Monats November (30.) den Marsch nicht antreten können. Sie vermochten bei der Jahreszeit und den grundlosen Wegen diese Strecke in 36 Tagen, jeden vierten Tag ein Rasttag eingeschaltet, kaum zurückzulegen, konnten daher, abgesehen von jeder Contumaz, erst am 5. Januar in Schlesien (Breslau) stehen s). Ob sie nach derartigen andauernden Marschleistungen schlag­fertig dort angekommen wären, bleibt eine offene Frage. Die Lage des preussischen Heeres war eine wesentlich andere. Die zur Operations- Armee bestimmten Regimenter erhielten den Befehl zur Mobilisirung zwischen 7. bis 10. November. Sie hatten aus ihren märkischen, magdeburgischen und pommerischen Garnisonerwrverhältnissmässig kurze Versammlungsmärsche bis Crossen, wo sie am 10. December con- centrirt standen. Die Mobilisirung, die vermöge Organisation und Vor­bereitung bedeutend erleichtert war, vollzog sich in Monatsfrist. Die Strecke von Berlin bis zur schlesischen Grenze beträgt übrigens *) Siehe die Beilage A. 2) 100 Pferde vom Regimenté Dessewffy kamen, nachdem der Befehl an das im Ungvharer Comitate garnisonirende Regiment am 28. November von Wien expedirt wurde, erst am 21. Januar 1741 nach Jabluuka (siehe Seite 57, Anmerkung 3).

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