Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1884)
Major Edlen von Angeli: 1812. Die Theilnahme des k. k. österreichischen Auxiliar-Corps unter Commando des G. d. C. (später Feldmarschalls) Fürsten Carl zu Schwareznberg im Feldzuge Napoleon I. gegen Russland
zu Frankreich stehend, stellte es schon am 31. October 1810 durch den Grafen Schuwalof das Anerbieten einer Defensiv-Allianz gegen Napoleon. Seine Vorschläge waren jedoch so augenscheinlich nur auf den Vortheil Russlands berechnet, dass Metternich entschieden davon abrieth, sie auch nur in Verhandlung zu ziehen: „Von einem Alliirten bedroht, dem Kaiser Alexander alle Rücksichten und Grundsätze aufopferte, sucht er Hilfe hei Eurer Majestät für den Tag der herannahenden Gefahr. In einen Kampf verwickelt, welcher in dem directesten Widerspruche mit Eurer Majestät Staatsinteresse steht, will Russland dennoch nicht seine Eroberungsabsichten auf die Pforte aufgeben, — aber Österreich soll dieser Macht zur Vormauer dienen, hinter welcher sie ihre Eroberungsabsichten umso ungestörter, vielleicht auf die einzig mögliche Weise, durchzusetzen in der Lage wäre!“ ') Ebenso gewichtige Bedenken, wenn auch mehr moralischer Natur, sprachen gegen ein actives Bündniss mit Frankreich, welches überhaupt nur für den Fall eines unwiderstehlichen Zwanges in Betracht gezogen wurde. Österreich war der einzige noch übrig gebliebene Repräsentant einer alten, auf ewiges, unwandelbares Recht gegründeten Ordnung der Dinge 5 seine Verbindung mit einer Macht, deren directes Ziel die Zerstörung eben dieser historischen Zustände war, hätte nichts Anderes bedeuten können, als die Abdication von jener moralischen Höhe, von der es selbst die äusserste Ungunst der Ereignisse nicht zu stürzen vermochte, — es wäre ein Krieg gewesen gegen die heiligsten Interessen Österreichs selbst. Es blieb also nur noch die Neutralität; aber auch diese barg neben vielen Gefahren kaum einen nennen swerthen Vortheil. Vor allem Anderen war sie dem omnipotenten Willen Napoleons gegenüber umsoweniger zu motiviren, als das, ungleich mehr als Österreich deroutirte Preussen es durch ganz ausserordentliche Anstrengungen möglich gemacht hatte, seine militärischen Mittel bis gegen Ende 1811 in Stand zu setzen, wodurch auch Österreich nicht mehr in der Lage war, seine eventuelle Neutralität durch den Hinweis auf die innere Schwäche zu begründen. In politischer Hinsicht lag eine allzugrosse Schwächung Russlands nicht im Interesse Österreichs und ausserdem forderten auch die Rücksichten auf Galizien, wie nicht minder auf die Stimmung in Italien und Illyrien zu um so grösserer Vorsicht auf, als es kaum möglich erschien, hier die weitgehendsten und ernstesten Verwicklungen zu vermeiden. Napoleon lüftete in dieser Beziehung selbst den Schleier, der die nächste Zukunft und seine Pläne verhüllte, indem er gegen den Fürsten Schwarzenberg äusserte: „Ich werde Galizien, wenn Österreich neutral ist, nicht revolutioniren, thun es aber meine *) *) Metternich an den Kaiser (Vortrag). Wien, 31. October 1810. II. 401.