Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1884)
Major Wiener des Generstabs-Corps: Das Corps des FML. Friedrich Freiherrn von Hotze in Feldzuge 1799
J) Siehe Tafel II. Was die Befestigung des Luziensteiges, beziehungsweise dessen Besetzung als Bindeglied zwischen beiden Landes- und Vertheidigungs- gebieten betrifft, so hatte dieselbe nur geringen Werth '). Der Steig wurde seinerzeit von Graubünden gegen die deutschen Kaiser und Reichsfürsten befestigt. Zwischen Mayenfeld und Balzers, wo die Strasse einen bis an den Rhein vorspringenden schmalen Gebirgsfuss übersetzt, Front gegen Norden, angelegt, bestand die Befestigung aus einem gemauerten Hornwerke, dessen Fltigel durch zwei Blockhäuser vertheidigt wurden. Letztere waren mit dem Hauptwerke durch crenelirte Mauern verbunden. Die Befestigung war in den Flanken ganz vernachlässigt und leicht zu umgehen. Mit der Front gegen Norden konnte seine Besetzung den Österreichern wenig Vortheile bieten. Hätte man den Pass als selbständigen Punkt herrichten wollen, so würde die Terrain - Formation eine ungeheuere Ausdehnung der Werke bedingt haben. Dagegen bot die Befestigung den Franzosen insoferne Vortheile, als dieselben nach Übersetzung des Rheins und Wegnahme des Steiges, einen guten Stützpunkt für die Abwehr aller von Feldkirch her geführten Stösse der Österreicher darin finden mussten. Es wäre daher zweckmässiger gewesen, die Befestigung zu demoliren und die Waldungen beiderseits des Steiges abzuholzen. Zu einer Besetzung von Graubünden durch die von Bellegarde vorgeschlagene grosse Truppenzahl kam es jedoch nicht. Der Grund mag in der Erkenntniss von den Schwierigkeiten der Verpflegung oder wahrscheinlicher darin gelegen sein, dass man den Ausbruch der Feindseligkeiten nicht so bald erwartete. Denn obgleich unmittelbar nach geschlossenem Frieden in allen Gesellschaftskreisen Österreichs die Unmöglichkeit einer langen Dauer des Friedens vorausgefühlt und gesagt wurde, die Vorbereitungen der Franzosen auch kaum einen Zweifel darüber aufkommen lassen konnten, ist man von den Ereignissen des 6. März thatsächlich überrascht worden. Das Resultat war schliesslich die Aufstellung der vorhandenen wenigen Truppen auf zwei Drittel der Peripherie des Cantons. Sie standen vertheilt im ganzen Vorder-Rheinthale, im Tavetsch-, Medels-, Calanca-, Misocco-, Bergell-, Puschiavo- und im ganzen Inn-Thale, mit einer schwachen Reserve bei Chur und Zizers. Die Aufstellung entsprach weniger militärischen, als vielmehr politischen Rücksichten und war gleichsam nur eine Markirung der Besetzung des Cantons. Gegenüber einer energischen Offensive des Gegners war eine Zersprengung der Truppen und der Verlust Graubündens die natürliche Folge. Grosse Magazinsvorräthe waren in Bregenz, Feldkirch, Bludenz und Chur angehäuft, aber für den Nachschub aus Tirol durch das Engadin