Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

86 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. Inngrenze erhalte Österreich eine Verbindung mit Italien, was Spanien, dem Frankreich eine gewisse Rücksicht schuldig sei, niemals zugeben würde; man möge sich demnach mit der Erwerbung eines anderen Gebietes von Bayern begnügen. Frankreich sei gern bereit, die Ver­mittlung gemeinschaftlich mit Russland zu übernehmen, könne aber in Folge des Krieges mit England dem Wiener Hofe nicht beistehen und auf Preussen einen Druck üben. Fürst Kaunitz erwiderte hierauf, dass es bedenklich sei, Preussens Macht zu sehr wachsen zu lassen. Schon jetzt sei das Heer Friedrich’s II. um 30.000 Mann stärker, als das der Kaiserin. Während Preussen mit Russland und den protestantischen Ständen in Verbindung stehe, könne Österreich nur auf die katholischen Mitglieder des Reiches rechnen, die aber bei der schlechten Beschaffenheit ihrer bewaffneten Macht kaum in die Waagschale fallen. Und wenn man in Wien die Aufrechthaltung des Gleichgewichtes zwischen den beiden deutschen Nachbarr eichen betone, so seien dies keine leeren Worte, keine blossen scheinbaren Vorspiegelungen, keine unter dem Vergrösserungsglase dargestellten besorglichen Aussichten, sondern Wirklichkeiten, die früher oder später nicht nur für Österreich, sondern für alle katholischen Mächte, für Frankreich insbesondere und für das ganze europäische Staatensystem von den gefährlichsten Folgen begleitet sein dürften *). Während so der französische Hof jede Theilnalime an dem Kampfe gegen Preussen ablehnte, um nicht einen Doppelkrieg führen zu müssen und einen allgemeinen Zusammenstoss hervorzurufen, näherte sich die russische Opportunitäts-Politik in ihrer schwankenden Weise bald der einen, bald der anderen kriegführenden Macht. Auf die vom öster­reichischen Gesandten in Petersburg gestellte Frage, ob Russland in dem Streite zwischen Österreich und Preussen den casus foederis anerkenne, antwortete der russische Minister, Graf Panin, Mitte August 1778: Die Kaiserin werde auch nicht Einen Mann dem Könige von Preussen zur Verfügung stellen. Bezüglich der Unterhandlungen in Braunau aber versprach der Minister, Österreich gute Dienste leisten zu wollen. In ähnlicher, hinhaltender Weise wurde von Seite des Peters­burger Hofes auch Pi-eussen behandelt. Die Vorstellungen seines Gesandten, Russland möge sich endlich entscheiden, da man doch nicht die gesammte Kriegsmacht nöthig habe, um der Pforte widerstehen zu können, machten keinen Eindruck. Graf Panin vertröstete ihn mit der Bemerkung, Russland werde früher, als man glaube, Partei für den König ergreifen. Sobald von Seite der deutschen Fürsten die Aufrecht­haltung der Freiheiten und der Verfassung des Reiches angerufen, *) Beer: „Die Sendung Thugut’s und der Friede zu Teschen“. Historische Zeitschrift von Sybel. 38. Band.

Next

/
Thumbnails
Contents