Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Der Entsatz von Wien
241 zuschlagen und dann Wien um so leichter zum Falle zu bringen. Er hielt am 7. September über seine Streitkräfte eine General-Musterung und berief am 10. die Unterbefehlshaber zu einem grossen Kriegsrathe. Ibrahim Pascha rieth, man solle die Belagerung aufheben, sich gegen das Entsatzheer wenden, das Kahlengebirge verhauen, hinter den Verhauen Batterien anlegen und Widerstand leisten, dabei dem Feinde mit der Reiterei in die (rechte) Seite fallen. Man könne mit dem, durch die lange Belagerung ermüdeten Heere nicht zugleich diese fortsetzen und das Christenheer ab wehren. Die Vertheidigung des Lagers gegen das Entsatzheer sei wegen der grossen Ausdehnung mit Erfolg nicht durchzuführen. Kara Mustapha glaubte, die Stadt nach langer Belagerung aufs Äusserste gebracht und unfähig sich auch nur einige Tage länger zu halten — der geringe Haufen des Entsatzes aber sei mit den unzählbaren und unüberwindlichen Truppen des osmanischen Reiches nicht zu vergleichen. Die Besatzung würde in dem Augenblicke, als man die Laufgräben verhesse, sich Alles dessen wieder bemächtigen, was man ihr abgenommen, die Belagerungs-Arbeiten zerstören, die Festungswerke ausbessern. Die ohnehin zur Meuterei geneigte Mannschaft in den Laufgräben würde aber den Preis aller bisherigen Anstrengungen verloren sehen, in Folge dessen gegen den Entsatz gar nicht oder doch nicht hartnäckig kämpfen und selbst im Falle eines Sieges schwerlich die Arbeit in den Laufgräben wieder aufnehmen wollen. Eine Stadt zu verlassen, nachdem man sie monatelang belagert, habe mehr das Ansehen einer Niederlage als eines Sieges. Der Sultan habe bereits Vorbereitungen zu einem Triumphe gemacht, die Aufhebung der Belagerung würde ihm (dem Vezier) und den Paschas den Kopf kosten. „Wenn Ihr diese Dinge gehörig überlegt“ — sprach der Vezier zu den Paschas — „so werdet Ihr finden, dass es vergeblich sei, das Heer in das Feld zu führen und vergebens um den Sieg zu fechten, wenn nicht der grösste Theil der Janitscharen zurückgelassen wird, die Schanzen zu vertheidigen und die Belagerung fortzusetzen. Nichts wird die Feinde so in Furcht und Schrecken setzen, als wenn sie sehen, dass wir in unserem Lager zum Treffen bereit sind, und zugleich auch die Belagerung mit ebenso grossem Eifer als bisher fortführen. Es wird dies unsere Schwäche bedecken, es wird verhüten, dass uns die Besatzung nicht in den Rücken fällt; es wird unseren Soldaten Muth einflössen, mit einem Worte, es ist der einzige Weg, auf dem wir nicht nur einen leichten, sondern auch einen völligen Sieg erlangen können.“ Das Kriegsjahr 1683. 16