Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

227 der Naclit stiegen, Hilfe heischend, zahlreiche Raketen vom Stephans- thurrne empor. Am nächstfolgenden Tage (9.) feuerten die Türken aus ihren grossen Karthaunen und Mörsern so heftig, als ob sie ganz Wien in einen Schutthaufen verwandeln wollten. Es sollte dies die Verwirrung im eigenen Lager maskiren, wo man den ganzen Tag über in den Hin- und Herbewegungen der türkischen Truppen so recht die Un­schlüssigkeit Kara Mustapha’s hei dem Herannahen des ehedem von ihm so geringgeschätzten christlichen Entsatzheeres erkennen konnte. Das Lager im Prater und am Hundsthurm wurde ganz abge­brochen und nach dem Wiener-Berge verlegt. Der Grossvezier soll ursprünglich den Plan gehegt haben, auf den Höhen der „Spinnerin am Kreuz“ oberhalb Inzersdorf (Wiener- Berg) die Entscheidungsschlacht anzunehmen oder zu liefern. Gegen Abend traf er jedoch wieder andere Dispositionen, weil durch den erstgefassten Entschluss die Belagerung von Wien gleichsam aufgehoben gewesen wäre. Jetzt liess er einen grossen Theil seiner Truppen mit allen jenen, welche auf der Leopoldstadt-Insel sich befanden, gegen den Kahlenberg vorrücken, an den Höhen von Grinzing Stellung nehmen und daselbst Verschanzungen aufwerfen. Dessenungeachtet waren durch diese fortwährenden Bewegungen des türkischen Heeres die Belagerungs­arbeiten keineswegs unterbrochen, ja sogar deren Fortgang mit desto grösserem Eifer betrieben worden. Insbesonders thätig war gegen die Löbel-Bastion jene feindliche Batterie nächst dem Rothenhofe, welche schon zu Beginn der Belagerung sehr wirksam feuerte. Die Türken bestürmten dreimal die Löbel- Courtine und trotz der heftigsten Gegenwehr gelang es ihnen, sich im unteren Wall (der sogenannten Basse-Flanque) der Löbel-Bastion, sowie in der Communications-Linie des Grabens vor der Courtine festzusetzen. Das war der letzte Sturm der Osmanen gegen Wien, denn bis zum 12. September wurden die Werke nur mehr durch den Mineur bedroht, weil sich die Aufmerksamkeit des Grossveziers nun schon gegen den Kahlenberg richtete. Die Festsetzung an der erwähnten Courtine war ein für die Sicherheit Wiens ungemein bedrohlicher Erfolg des Feindes, denn gleich nachher begannen die türkischen Mineurs drei Galerien in die Courtine vorzutreiben, welche in einigen Tagen vollendet und mit starken Minen versehen, ohne den inzwischen erfolgten Entsatz, unfehlbar durch das Niederwerfen des Hauptwalles den Fall Wiens bewirkt hätten. 15;

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