Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

228 FZM. Graf Starhemberg liess hinter den unteren Fenstern der kaiserlichen Burg leichte Geschütze aufpflanzen, um damit die Türken zu empfangen, wenn sie sich etwa der Burg-Bastion bemeistern sollten. Da es hei einem beabsichtigten Ausfall während der Entsatz­schlacht an Cavallerie mangelte, wurde die Aufstellung einer aus jungen Bürgern bestehenden Frei-Compagnie zu Pferde geplant, über welche Oberstlieutenant Graf Salaburg das Commando führen sollte. Die Er­eignisse überholten diese Absicht, obwohl bereits viele Anmeldungen erfolgt waren und die jungen Männer ihre Pferde selbst mitbringen wollten. Starhemberg hielt an diesem Tage an die Garnison eine feurige Ansprache, wies auf die bisher gebrachten Opfer hin und ermahnte zu weiterer hartnäckiger Ausdauer, da die Entsatz-Armee bereits heran­rücke und die Erlösung von allen Drangsalen nahe sei *). Wieder stiegen zahlreiche Raketen vom Stephansthurme zum nächtlichen Himmel empor, begleitet von den Gebeten der bereits in furchtbarer Aufregung befindlichen Wiener, welchen schon das so lange Ausbleiben des muthigen Michaelovitz ein böses Omen schien. Die Türken setzten am 10. September, unter dem steten Feuer ihrer Geschütze, ihre verderbenbringenden Minir-Arbeiten fort; die Besatzung hingegen machte beim Löbelthor Gräben, welche sie mit Palissaden besetzte und woselbst sie kleine Geschütze aufführte. Die eisernen Fenstergitter in den meisten Häusern wurden ab­gebrochen, um sie nöthigenfalls in den bevorstehenden Strassenkämpfen verwenden zu können. Die Lage Wiens wurde immer schlimmer; die meisten Geschütze mussten abgeführt werden, da man überall schon Minen zu befürchten hatte. Eine Nachts um 11 Uhr unter der Burg-Bastion gezündete Mine erweiterte allerdings die grosse Bresche und zwang, ein Geschütz ab­zuführen, allein sie blieb sonst ungenützt. Diese Bresche war nunmehr so breit, dass sie vierzig Mann in Front ersteigen konnten. An diesem Tage erlitt die Stadt Wien einen harten Verlust durch den nach fünfwöchentlicher Krankheit erfolgten Tod des treff­lichen Bürgermeisters Liebenberg. Der wackere Ober-Stadtkämmerer und Subsenior Daniel Fockhy wurde nun zum Administrator der Stadt gewählt, während FZM. Graf *) Der Wortlaut dieser Ansprache, sowie der Rede Starhemberg’s an die Bürger am 8. Juli sind in Liinig: „Grosse Herren-Reden“, Leipzig 1790 und in französischer Sprache in Roeoles’ „Vienne deux fois assie'gee“, Leyden 1684 enthalten; doch scheinen diese Reden apokryph zu sein, da sie an innerer Unwahrscheinlichkeit leiden.

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