Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens
225 Dass aber, wie Kuniz meint, die „Bürgerschaft“ als solche eine Capitulation hinter dem Rücken Starhemberg’s anstrebte, ist genügend durch die bisherige und auch in den letzten Tagen der Belagerung bewiesene Tapferkeit der eigentlichen Bürger und durch das in jeder Hinsicht tadellose Verhalten des, den oft harten Anforderungen des Stadt- Commandanten in opferwilligster Weise entgegenkommenden Bürgermeisters und Stadtrathes widerlegt. Unbeschreiblich war die Freude und der Jubel der gesammten Bevölkerung Wiens, als in der Nacht fünf vom Kahlenberge aufsteigende Raketen den aufs Ausserste bedrängten Belagerten Rettung ver- hiessen '). Als Antwort zischten gleichfalls fünf Raketen vom Stephans- thurme empor. Am 7. September feuerten die Türken nur einige Stunden, jedoch aus ihren schwersten Geschützen, und brachten viel Holzwerk, Schanzkörbe und Wollsäcke in den Graben vor die Löbel- und Burg- Bastion, sowie drei schwere Stücke in eine Breschbatterie auf der Contrescarpe, welche der Courtine hart zusetzte. Kara Mustapha hielt Musterung über das Heer, um seine Streitkräfte für die bevorstehende Schlacht mit der Entsatz-Armee abzumessen. Die feierliche Musterung hinderte jedoch durchaus nicht die Belagerungsarbeiten, da die von Zeit zu Zeit abgclösten Truppen den ganzen Tag hindurch ihre Laufgräben bei der Coui’tine verlängerten und selbe durch Bretter, Balken, Sand- und Wollsäcke gegen die von der Besatzung herabgerollten Steine und Handgranaten zu decken suchten. Der Posten in der bereits von Kugeln ganz durchlöcherten „neuen Burg“ wurde von FZM. Starhemberg verstärkt, weil es den Anschein hatte, als würde der Feind seinen nächsten Angriff auf diesen Punkt richten. In der Strasse hinter der Löbcl-Bastion baute man eine kleine Batterie, welche durch Palissaden geschützt wurde; der Löbel-Cavalier war wieder mit 6 schweren Geschützen und 4 Mörsern armirt worden, ebenso der „Spanier“ bei der Burg; das Feuer aus diesen Geschützen hemmte den Fortschritt der feindlichen Arbeiten an der Bi-esche bei der Burg-Bastion. Bei der Löbel-Bastion entdeckte man eine feindliche Mine, welcher das Pulver (13 Fässer) entnommen wurde. Oberstlieutenant Balfour suchte im Aufträge des Deputirten-Colle- giums die Säumigen, welche sich trotz der grossen Noth der Stadt noch ') Das Signal wurde von dem Commandanten von Klosterneuburg, General- Feldvvachtmeister Conte Yecchia, welcher von der Nähe des Entsatzheeres wusste, veranlasst. Feigius „Adlers Krafft etc.“ Wien 1685, Seite 98. Das Kriegsjahr 1683. 15