Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

220 die Ausdauer der eigentlichen Bürgerschaft Wiens, welche ohne Murren die grössten Drangsale bis nun standhaft erlitten hatte. Noch an diesem Tage mussten auf Befehl Starhemberg’s 1000 Palis- saden herbeigeschafft werden, welche nöthigenfalls den Dachbalken zu entnehmen waren; Oberstwachtmeister Obizzi bewaffnete die neu angeworbenen Leute und versammelte sie auf dem Neuen Markte. Kara Mustapha, nun im Besitze eines wichtigen Aussenwerkes, dachte selbstverständlich daran, Wien noch vor dem Eintreffen des Entsatzes zu bezwingen. Seine anfängliche Absicht, diese Stadt durch Schrecken, Hunger und Krankheiten zur Capitulation zu bringen und die Schätze derselben seiner Habsucht zu erhalten, war nicht in Erfüllung gegangen; seine besten Krieger waren vor den feindlichen Wällen gefallen, die Übrigen grösstentheils entmuthigt. Sein bisheriger Kriegsruhm und die Gnade des Grossherrn schien zweifellos ver­loren, wenn es ihm nicht gelang, Wien in seine Gewalt zu bekommen. Hatte er doch vor einigen Tagen von dem in Belgrad, in vergeblicher Erwartung der Eroberung Wiens harrenden Sultan die bittersten Vorwürfe darüber erhalten, dass er nach Wien gezogen, bevor er die Festungen Baab und Komorn bezwungen! Die Eroberung des gefürchteten „Zauberhaufens“, vor dem Tau­sende seiner Janitscharen blutig geendet, schien den Grossvezier endlich seinem grossen Ziele näher zu bringen. In seiner Siegesgewissheit missachtete er die herannahende Entsatz-Armee und schickte ihr nur einige kleine Beobachtungs-Trupps entgegen. Dafür wurden die Belagerungsarbeiten mit verdoppeltem Eifer fortgesetzt; die Janitscharen, durch listige Vorspiegelungen wieder in gute Laune versetzt, gruben Tag und Nacht imverdrossen in den Minengängen, jetzt schon im Genüsse der unermesslichen Schätze schwelgend, welche ihnen zweifellos sehr bald zufallen mussten. Ereignisse vom 2. bis 12. September. Während der heftigen Kämpfe um das Burg-Ravelin setzten die rührigen Türken ihre Sape- und Mineur-Arbeiten gegen die angegriffenen Bastionen unermüdlich fort. Am 2. September, um 7 Uhr Früh, öffnete eine an der Spitze der Burg-Bastion entladene feindliche Mine das Mauerwerk und ge­stattete dadurch den Türken, sich tiefer einzugraben und gegen die Courtine vorzudringen. Ein dagegen unternommener kleiner Ausfall missglückte.

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