Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

217 wollte, da er bei Fortsetzung der Belagerung es kaum wagen konnte, eine Schlacht zu schlagen. Starhemberg vermochte dem rapiden Fortschritte der Türken im Stadtgraben nur mehr durch Ausfälle zu begegnen. Ein solcher fand am 1. September Mittags unter Führung des General-Feldwachtmeisters Graf Serényi und des Oberst Graf Scherffenberg mit 600 Mann des Heister’schen Regiments statt; die Türken wurden hiebei bis an die Contrescarpe der Burg-Bastion zurückgetrieben, während mehrere Lauf­gräben verschüttet, einige Galerien und Palissadirungen angezündet und zwei Geschütze vernagelt wurden. Schliesslich mussten sich aber die tapferen Kaiserlichen vor der anrückenden Übermacht der Osmanen mit dem empfindlichen Verluste von 200 Mann, darunter Hauptmann Grundier und ein Lieutenant, zurückziehen. FZM. Starhemberg, dem die Lage Wiens bereits sehr bedenklich schien, bewog den braven Michaelovitz neuerdings, mit Briefen an den Herzog von Lothringen abzugehen, worin um möglichste Beschleunigung des Entsatzes aufs Dringendste gebeten wurde. Der kühne Sendling erreichte glücklich das Ziel — aber es scheint, dass er beim Versuche, nun zum dritten Male tröstliche Nach­richten in die arg bedrängte Stadt zurückzubringen, verunglückte, da sonst die dankbaren Wiener, vornehmlich aber Graf Starhemberg seine ausgezeichneten Dienste gewiss noch besser belohnt hätten, als den einmaligen Botengang Koltschitzky’s. Den Wienern wurde am selben Tage ein kaiserliches Send­schreiben ddo. Passau am 19. August *) vorgelesen, in welchem sie ermahnt werden, „treu und männiglich auszuhalten, da gegen Ende August oder in den nächstfolgenden Tagen die Stadt befreit sein werde“. Die kaiserliche Artillerie hatte wieder einen schweren Verlust mit dem Tode des Hauptmanns Cresse erlitten, der vor dem Feinde blieb; ausser dem Oberst Börner und dem Oberstlieutenant Gschwind war nur noch der Artillerie-Hauptmann Mies dienstfähig. Es mussten nunmehr die bürgerlichen Büchsenmacher an die Stelle der gefallenen Artillerie-Officiere treten, doch zeichneten sich dieselben gleichfalls durch ihr tapferes Verhalten dermassen aus, dass Starhemberg mehrere Monate nach der Belagerung den „Kunststähler und bürgerlichen Büchsenmeister“ ein äusserst schmeichelhaftes Zeugniss ausstellte. ') Es ist nicht bekannt, wie dieses Schreiben in die Stadt gelangte, doch spricht die Vermuthung für Michaelovitz, der dasselbe am 31. August mitgebracht haben dürfte.

Next

/
Thumbnails
Contents