Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens
203 Am 3. August sclilug (lie Besatung 600 Türken, welche sich des Schlosses Kreisbach bemächtigen wollten. Bei der Kunde, dass 7000 Türken gegen Lilienfeld anrückten, ergriffen wieder Viele die Flucht; 40 Wagen fielen bei der herrschenden Verwirrung dem Feinde in die Hände. Ein kleiner Ausfall am 18. August brachte 16 schöne Pferde ein. Am nächsten Tage fiel die Besatzung, welche einen willkommenen Zuwachs von zwei churbayerischen Officieren mit fünf Reitern erhalten, neuerdings aus, und schlug hei 1000 Türken, welchen 120 Pferde abgenommen wurden. 100 gefangene Christen wurden befreit. Die polnische Besatzung, welche kurz darauf nach Lilienfeld verlegt wurde, schien nunmehr überflüssig geworden, da der Grossvezier nach und nach seine Truppen bei Wien zu concen- triren begann. Der hartnäckigen Vertheidigung Lilienfelds verdankt Ober- Steiermark die verhältnissmässig geringe Belästigung durch die Tataren, welche, wenn ihnen dieser wichtige Punkt in die Hände gefallen wäre, gewiss nicht gesäumt hätten, ihre Raublust in dem noch fast unversehrten Lande zu befriedigen. Ähnlichen patriotischen und kriegerischen Geist entfaltete Molk, dessen vortrefflich gelegenes Benedictinerstift zur Vertheidigung wie geschaffen war. Der brave Prälat Gregor Müller forderte die Bürgerschaft auf, sich zum Kampfe wider den Erbfeind zu rüsten, vertheilte Waffen aus dem reichbesetzten Zeughause des Stiftes und hatte bald eine ziemlich starke Besatzung beisammen. Die entschlossene Haltung der Mölker, von welcher die Türken durch Gefangene bald Nachricht erhielten, war allein schon genügend, die zu hartnäckigen Kämpfen ungeeigneten Tataren vom Angriffe abzuhalten. Auch das Stift Herzogenburg, woselbst der wackere Chorherr Gregor Nast die Vertheidigungsanstalten in die Hand genommen, wurde verhältnissmässig wenig beunruhigt; nur einmal versuchten die Tataren die Thore des Marktes zu verbrennen, konnten aber trotzdem nicht Vordringen, weil der umsichtige Nast mit Steinen gefüllte Fässer rasch hinter die Thore aufstapeln liess. Der Anmarsch der bayerischen Hilfsvölker, welche bereits am 13. August Mölk zu Schiff passirten, machte dem tollen Treiben der Türken in diesen Gegenden überhaupt ein Ende. Diese wenigen Beispiele zeigen zur Genüge den patriotischen Sinn der Landbewohner und der Geistlichkeit, welche Gut und Blut zur Rettung des theueren Vaterlandes einsetzten und sich oft durch einen glücklichen Erfolg belohnt sahen.